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Entstehung der Aarhus-Konvention
Vertragsparteien, Inkrafttreten und Ratifizierung
Die Aarhus-Konvention ist ein multilateraler völkerrechtlicher Vertrag der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (engl.: United Nations Economic Commission for Europe – UNECE). Sie trägt in ihrer deutschen Übersetzung den vollständigen Titel „Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten“.
Hauptmerkmal der Aarhus-Konvention sind drei in ihr verbriefte Umweltverfahrensrechte (sog. Säulen der Aarhus-Konvention): 1. Säule – Der Zugang zu Umweltinformationen, 2. Säule – Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Umweltschutz, 3. Säule – Der Zugang zu den Gerichten in Umweltangelegenheiten.
Der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa mit Sitz in Genf gehören 56 Mitgliedstaaten an, darunter auch nordamerikanische Staaten sowie zentralasiatische Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Sie ist eine von fünf Regionalkommissionen der Vereinten Nationen und wurde 1947 vom Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (engl.: Economic and Social Council – ECOSOC) gegründet. Die Kommission hat das Ziel die wirtschaftliche Integration und Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern.
Die Aarhus-Konvention wurde am 25. Juni 1998 in der dänischen Stadt Aarhus im Rahmen der Vierten paneuropäischen Ministerkonferenz des „Umwelt für Europa“-Prozesses von einem Großteil der Vertragsparteien unterzeichnet. Sie trat gemäß Art. 20 Abs. 1 AK nach der Ratifikation durch 16 Staaten am 30. Oktober 2001 in Kraft. Bisher haben 47 Staaten den Vertrag ratifiziert, darunter Deutschland am 15. Januar 2007und die Europäische Union als Staatenbund am 17. Februar 2005.
Der „Umwelt für Europa“-Prozess ist ein Baustein der von der Wirtschaftskommission verfolgten Umweltpolitik. Er hat unter anderem seinen Fokus in der Verbesserung der Umweltstandards in den osteuropäischen und zentralasiatischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Dies spiegelt sich auch in der Aarhus-Konvention wider: mehr als die Hälfte der Vertragsstaaten gehörten der ehemaligen Sowjetunion an.
Historischer Kontext und Vertragsverhandlungen
Erste Ansätze, Informationen in Bezug auf Umweltangelegenheiten in der Öffentlichkeit zu verbreiten, finden sich in den Prinzipien 19 und 20 der Erklärung der Konferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen. Diese wurde 1972 während der sog. Stockholm-Konferenz erarbeitet.
Diese statuieren zum einen, dass die Medien im Umweltschutz eine pädagogische Rolle einzunehmen hätten und Informationen daher in der Bevölkerung zum Zwecke der Aufklärung verbreiten sollen. Zum anderen solle auch der globale Informationsfluss innerhalb der wissenschaftlichen Forschung und Entwicklung gefördert werden, insbesondere um Entwicklungsländer stärker in den Umweltschutz einzubinden. Den in diesem Sinne noch unmündigen Bürger*innen wurde im Umweltschutz zunächst nur eine passive Rolle zugeschrieben. Der im Rahmen der Stockholm-Konferenz erarbeitete Aktionsplan enthält daher nur die Empfehlung, dass Regierungen allen Bürger*innen in gleicher Weise Zugang zu Informationen – als umwelt-erzieherische Maßnahme – gewährleisten.
In der Nachfolgekonferenz über Umwelt und Entwicklung im Jahre 1992 in Rio de Janeiro (United Nations Conference on Environment and Development – UNCED) mit Delegierten aus 178 Staaten, internationalen Organisationen sowie einer großen Anzahl von Nichtregierungsorganisationen verabschiedete man die Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung. In dessen Prinzip 10 wurde der allgemeine Zugang zu Umweltinformationen, die sich im Besitz öffentlicher Stellen vorliegen, erstmals auf internationaler Ebene statuiert und mit der Notwendigkeit von ziviler Partizipation in Entscheidungsprozessen mit Umweltbezug sowie der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes verknüpft. Vorbild für diese Entwicklung dürfte die zuvor im Jahr 1990 auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft verabschiedete Umweltinformationsrichtlinie gewesen sein. Diese statuierte den Informationszugang in Umweltangelegenheiten erstmals in der uns heute bekannten Form, d.h. als ungehinderten freien Zugang zu den bei Behörden vorliegenden Umweltinformationen, der durch Ablehnungsgründe beschränkt und durch die Einkleidung in ein Verwaltungsverfahren rechtlich abgesichert wird.
Trotz der großen Bedeutung der Rio-Erklärung von 1992 für die Aarhus-Konvention, welche in ihrer Präambel explizit auf dessen Prinzip 10 verweist, war diese dennoch nicht monokausal für die Entstehung der Aarhus-Konvention. Vielmehr gewannen nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Ende des Kalten Krieges zivilgesellschaftliche Themen wie Demokratisierung sowie Umwelt- und Menschenrechte zunehmend an Bedeutung für die internationale Staatengemeinschaft. Den zeitlichen Zusammenhang mit den politischen Umbrüchen in Europa verdeutlicht auch der Beginn des „Umwelt für Europa“-Prozesses, dessen Erste Ministerkonferenz im Juni 1991 in Dobris im heutigen Tschechien stattfand.
Ausgangspunkt für die Vertragsverhandlungen zur Aarhus-Konvention waren die von einer im Jahre 1993 errichtete Task Force der Wirtschaftskommission entwickelten Leitlinien über den Zugang zu Informationen über die Umwelt und die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren im Umweltbereich. Diese sog. Sofia-Guidelines wurden von den teilnehmenden Umweltminister*innen auf der Sofia-Konferenz gebilligt. In einer sich anschließenden Sondersitzung der Wirtschaftskommission im Januar 1996, wurde das Mandat für eine ad hoc-Arbeitsgruppe zur Vorbereitung eines Konventionsentwurfs erteilt. Die Verhandlungen über den Konventionstext fanden in den darauffolgenden zwei Jahren in insgesamt zehn Sitzungen statt, bei denen auch Nichtregierungsorganisationen teilnahmen.
Inhalt und Aufbau der Konvention
Die Aarhus-Konvention besteht aus 22 Artikeln, einer vorangestellten Präambel sowie zwei Anhängen. Die 22 Artikel lassen sich in einen Allgemeinen Teil, einen Besonderen Teil sowie einen Abschließenden Teil unterteilen.
Präambel und Allgemeiner Teil
Die Präambel hat keinen rechtlich verbindlichen Charakter, dient jedoch der Kontextualisierung des völkerrechtlichen Vertrages, da sich aus ihr der Entstehungsprozess sowie Motive und Ziele für die getroffene Vereinbarung ergeben.
Der Allgemeine Teil besteht aus den Art. 1 (Ziel), Art. 2 (Begriffsbestimmungen) und Art. 3 (Allgemeine Bestimmungen) AK. Bei Art. 1 AK handelt es sich um eine reine Zielbestimmung, d.h. aus ihr ergeben sich keine Rechte, die ein Individuum bei Verletzung durch eine Vertragspartei gerichtlich geltend machen könnte. Allerdings kann und wird Art. 1 AK – wie auch die Präambel – zur Auslegung anderer Bestimmungen der Konvention herangezogen. Art. 2 AK enthält eine Reihe von Legaldefinitionen, die – vor die Klammer gezogen – sich auf Tatbestandsvoraussetzungen anderer Regelungen in der Aarhus-Konvention beziehen. Konkret werden die Begriffe „Vertragspartei“ (Ziff. 1), „Behörde“ (Ziff. 2), „Informationen über die Umwelt“ (Ziff. 3), „Öffentlichkeit“ (Ziff. 4) sowie „Betroffene Öffentlichkeit“ (Ziff. 5) legaldefiniert.
Besonderer Teil
Im Besonderen Teil sind die drei Säulen der Aarhus-Konvention geregelt. Interessant im Zusammenhang mit diesem Handbuch sind die Art. 2 Ziff. 2 und 3 AK sowie Art. 4 AK, da sie die völkerrechtlichen Mindeststandards für den Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen regeln.
Art. 4 AK (Zugang zu Informationen über die Umwelt) verpflichtet die Vertragsstaaten zur Gewährleistung eines grundsätzlich voraussetzungslosen Zugangsanspruchs, der ausnahmsweise aus bestimmten Gründen versagt werden kann (Art. 4 Abs. 3, 4 AK). Damit der Zugangsanspruch nicht ins Leere läuft, statuiert Art. 5 AK (Erhebung und Verbreitung von Informationen über die Umwelt) für die Vertragsstaaten eine Pflicht zur Informationsbeschaffung hinsichtlich Umweltinformationen. Art. 5 Abs. 9 AK statuiert dabei insbesondere die Pflicht zur Schaffung eines Systems von Verzeichnissen oder Registern zur Erfassung von Umweltverschmutzungen in Form einer strukturierten, computergestützten und öffentlich zugänglichen Datenbank (sog. Pollutant Release and Transfer Register – PRTR). Auf dieser Grundlage wurde die Aarhus-Konvention um das sog. Kiew-Protokoll über Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsregister ergänzt, welches die Pflichten aus Art. 5 Abs. 9 AK näher konkretisiert.
Art. 6 bis 8 AK enthalten Verpflichtungen hinsichtlich der Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsprozessen mit Umweltbezug. Der Anwendungsbereich von Art. 6 AK wird hierbei durch den Anhang I konkretisiert. Dieser spezifiziert den Begriff der „Tätigkeiten“ i. S. v. Art. 6 Abs. 1 lit. a) AK und ordnet ihn zunächst nach verschiedenen Industriebereichen. Art. 9 AK definiert Standards bezüglich der Durchsetzung der mit der Aarhus-Konvention statuierten Rechte, darunter die hier interessierende Gewährleistung des Rechtswegs zu den Gerichten bei Verletzung des Anspruchs auf Zugang zu Umweltinformationen. In Deutschland ist diese Gewährleistung unproblematisch gegeben, da die Ablehnung des Informationsgesuchs regelmäßig einen Verwaltungsakt darstellt, der mit den ordentlichen Rechtsmitteln angefochten werden kann. Art. 6 AK wurde darüber hinaus durch die sog. GVO-Novelle (engl. amendment to the Convention on genetically modified organisms – GMO amendment) ergänzt, welche Änderungen hinsichtlich der Beteiligung der Öffentlichkeit an Entscheidungen über die absichtliche Freisetzung in die Umwelt und das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen beinhaltet.
Abschließender Teil, insbesondere Individualbeschwerde beim Aarhus Convention Compliance Committee
Die Art. 10 bis 22 AK bilden den abschließenden Teil und befassen sich mit der Verwaltung, der Umsetzung und den institutionellen Fragen im Zusammenhang mit der Aarhus-Konvention. Anhang II enthält Regelungen zur Durchführung eines Schiedsverfahren nach Art. 16 Abs. 2 AK.
Art. 15 AK sieht vor, dass die Tagung der Vertragsparteien – das Leitungsgremium der Aarhus-Konvention nach Art. 10 AK – einen Mechanismus zur freiwilligen, nichtstreitig angelegten, außergerichtlichen und auf Konsultationen beruhenden Überprüfung der Einhaltung der Aarhus-Konvention schafft. Auf dieser Grundlage hat die Tagung der Vertragsparteien bei seiner ersten Sitzung das Aarhus Convention Compliance Committe (ACCC) geschaffen. Dabei handelt es sich um ein Gremium, das ähnlich einem Gericht Stellungnahmen und Empfehlungen hinsichtlich des Erfüllungsverhaltens eines Vertragsstaates abgibt, über die die Tagung der Vertragsparteien aufgrund ihrer Letztentscheidungskompetenz abschließend einen Beschluss fasst. Dieser Non-Compliance Mechanismus geht zurück auf das Montrealer Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen (1992) und hat sich seitdem als anlassbezogenes Mittel zur Erfüllungskontrolle im Rahmen von umweltvölkerrechtlichen Konventionen etabliert. Gegenüber dem Non-Compliance Mechanismus des Montrealer Protokolls weist das ACCC einige Besonderheiten auf: So kann auch die Öffentlichkeit Individualbeschwerden (sog. communications) an das ACCC richten. Darüber hinaus setzen sich die Mitglieder des ACCC aus unabhängigen Expert*innen zusammen. Schließlich nehmen Nichtregierungsorganisationen im Rahmen des Non-Compliance Verfahrens eine besondere Rolle ein, da ihnen u. a. bei der Besetzung des ACCC ein Mitspracherecht zukommt und sie bei den Sitzungen des ACCC als Beobachterinnen teilnehmen können.
Das Non-Compliance Verfahren ist ähnlich einem gerichtlichen Verfahren ausgestaltet. Nach Einreichung der Individualbeschwerde durch die Öffentlichkeit prüft das ACCC deren Zulässigkeit anhand bestimmter Sachentscheidungsvoraussetzungen, die in einer Verfahrensordnung geregelt sind. Die Einreichung der Individualbeschwerde erfolgt schriftlich beim Sekretariat des ACCC, wobei das ACCC hierfür eine Formatvorlage zur Verfügung stellt. Nach einer vorläufigen Prüfung der Zulässigkeit wird der betroffenen Vertragspartei die Möglichkeit zur Stellungnahme hinsichtlich der Zulässigkeit der Individualbeschwerde sowie hinsichtlich der inhaltlichen Ausführungen der Beschwerde eingeräumt. In der Regel findet sodann eine Verhandlung statt, der eine Beratung sowie eine Beschlussfassung durch die Mitglieder des ACCC folgt. Das Verfahren vor dem ACCC endet mit einer als Stellungnahmen und Empfehlungen (engl.: findings and recommendations) überschriebenen Entscheidung, die ähnlich einer gerichtlichen Entscheidung aufgebaut ist. In dieser kann das ACCC bei Vorliegen eines Rechtsverstoßes durch einen Vertragsstaat der Tagung der Vertragsparteien Maßnahmen empfehlen oder diese bis zur Entscheidung der Tagung der Vertragsparteien selbst vorläufig anordnen. Die Entscheidungen des ACCC erlangen erst durch die Bestätigung (engl.: endorsement) der Tagung der Vertragsparteien Rechtscharakter, welche wiederum für die völkerrechtliche Auslegung der Aarhus-Konvention relevant werden können (dazu später unter B. V.).
Auslegungsgrundsätze
Als völkerrechtlicher Vertrag unterliegt die Aarhus-Convention zunächst den Grundsätzen zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge, die in Art. 31 ff. der Wiener Konvention über das Recht der Verträge vom 23.5.1969 (kurz: Wiener Vertragsrechtskonvention – WVK) geregelt sind. Die WVK kodifiziert die aufgrund ungeschriebenen Völkergewohnheitsrechts und allgemeinen Rechtsgrundsätzen bereits bestehenden Regelungen bezüglich Abschluss, Auslegung und Beendigung völkerrechtlicher Verträge. Die WVK ist dabei selbst ein völkerrechtlicher Vertrag, dem bisher 116 Staaten beigetreten sind. Sofern ein Staat der WVK nicht beigetreten ist, gelten die in der WVK kodifizierten Regelungen dennoch über das Völkergewohnheitsrecht für den jeweiligen Vertragspartner bei Auslegung und Anwendung der Aarhus-Konvention.
Nach der Auslegungsregel in Art. 31 Abs. 1 WVK ist ein Vertrag „nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen“, wobei als Zusammenhang in diesem Sinne nach Art. 31 Abs. 2 WVK u. a. der Vertragswortlaut samt Präambel und Anlagen zu verstehen sind. Dies verdeutlicht den objektiven Charakter der Auslegungsregel: Maßgeblich für die Auslegung des jeweiligen Vertrages sind dessen konkreter Wortlaut und sowie das, was man gewöhnlicherweise unter diesem Wortlaut verstehen würde. Nicht relevant ist hiernach, was die Parteien subjektiv mit dem Vertragswortlaut gemeint haben wollen.
Art. 31 Abs. 2 und Abs. 3 WVK statuieren darüber hinaus weitere Umstände, die für die Auslegung von Bedeutung sind, nämlich (spätere) Übereinkünfte, Urkunden, spätere Übungen und anwendbare Völkerrechtsgrundsätze. Lediglich ergänzend, für den Fall, dass sich nach den vorgenannten Auslegungsregeln dennoch Unklarheiten ergeben, kann auf die vorbereitenden Arbeiten (sog. travaux préparatoires) sowie auf die Umstände des Vertragsabschlusses zurückgegriffen werden, Art. 32 WVK.
Für die Aarhus-Konvention bedeutet dies, dass die Umstände ihrer Entstehungsgeschichte für die Auslegung ihrer Regelungen zunächst keine große Bedeutung haben. Lediglich die Präambel sowie die in Art. 1 AK formulierte Zielsetzung dürften größere Relevanz haben. Zu berücksichtigen sind im Rahmen der Auslegung auch die Stellungnahmen und Empfehlungen des ACCC, welche als spätere Übung der Parteien im Sinne des Art. 31 Abs. 3 lit. a) AK einzuordnen sind. Darüber hinaus sind wegen Art. 33 WVK die englische, französische und russische Sprachfassungen bei der Auslegung zu berücksichtigen, da deren Wortlaut gem. Art. 22 AK verbindlich sind.
Im Rahmen der Auslegung der Konvention können darüber hinaus Gerichtsentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sowie der höchsten nationalen Gerichte der Konventionsparteien Berücksichtigung finden. Vor allem im Rechtsraum der EU haben die Entscheidungen des EuGH zu den europäischen Umsetzungsakten der Aarhus-Konvention – z. B. die Umweltinformationsrichtlinie – große Bedeutung für die Rechtspraxis der 28 EU-Mitgliedstaaten. Diese Sekundärrechtsakte sind in ihrem Wortlaut weitestgehend deckungsgleich zur Aarhus-Konvention und müssen vom EuGH aufgrund des allgemeinen Grundsatzes der völkerrechtskonformen Auslegung im Lichte der Aarhus-Konvention ausgelegt werden. Die entsprechenden Urteile des EuGH können daher Aufschluss über die Auslegung und Anwendung der Aarhus-Konvention geben. Allerdings sind der EuGH und die anderen nationalen Höchstgerichte nicht selbst Vertragspartei der Aarhus-Konvention, sondern lediglich rechtsprechende Organe der jeweiligen Vertragspartei. Die Gerichtsentscheidungen selbst können daher weder als spätere Übereinkunft noch als spätere Übung der Vertragsparteien i. S. v. Art. 31 Abs. 3 lit. a) bzw. lit. b) WVK qualifiziert werden. Allerdings kann staatliches Handeln entsprechend einer solchen Gerichtsentscheidung gemäß Art. 31 Abs. 1 lit. b) WVK als spätere Übung einer Vertragspartei eingeordnet werden.
Umsetzung in der EU
Als Unterzeichnerin ist die EU verpflichtet, die Vorgaben der der Aarhus-Konvention auch für ihre Organe und Einrichtungen umzusetzen. Dem ist die EU durch Erlass der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 vom 6. September 2006 (sog. Aarhus-Verordnung) nachgekommen. Art. 3 der Aarhus-Verordnung ordnet an, dass für den Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen, die sich im Besitz von Organen und Einrichtungen der EU befinden, die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 (sog. Transparenz-Verordnung) anzuwenden ist. Diese Verordnung regelt allgemein den Zugang zu Dokumenten, die bei den EU-Organen vorliegen (hierzu genauer im Kapitel EU-Dokumente).
Darüber hinaus harmonisiert die Richtlinie 2003/4/EG vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG (sog. Umweltinformationsrichtlinie) das Zugangsrecht zu Umweltinformationen auf europäischer Ebene.
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