Alle hier zitierten Quellen finden sich in der digitalen Literaturdatenbank. Die digitale Version dieses Kapitels ist kommentierbar, kann automatisch zitiert und in vielen Formaten heruntergeladen werden. Eine Anleitung findet sich hier.
Über das Grundrecht auf Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG wird wenig geredet. Warum auch? An jeder Ecke wartet ein unüberschaubarer Strom frei zugänglicher Informationsquellen, aus denen wir schöpfen können. Nach 1945 wurde die Informationsfreiheit eingeführt, um eine Zensur von „Fremdsendern“ durch den Staat zu verhindern, heute besteht eher die Gefahr, dass wir uns in nächtlichen Exzessen des Wischens durch die Kanäle sozialer Medien verlieren. Gerade hier liegt das Problem: Je breiter der Strom verfügbarer Quellen ist, desto schwieriger wird es, die richtigen Angebote auszuwählen. Orientierung schaffen die Feeds große Plattformen wie Google, Twitter, Instagram, TikTok, die dabei allerdings ihre eigenen (kommerziellen) Interessen verfolgen. Sie sind nicht an einer demokratischen Öffentlichkeit im Sinne der Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG interessiert. Letztlich geht es bei ihnen immer um die Generierung einer möglichst großen Datenmenge durch möglichst lange Interaktionen mit ihren Apps, Webseiten oder Schnittstellen.
Im öffentlichen Interesse erhobene Daten und Informationen, die in die gesellschaftlichen Datenströme eingespeist werden, könnten hier wenigstens ein kleines Gegengewicht sein. In Ansätzen erkennbar ist das etwa in den Diskussionen um Open Data, bei denen immer wieder die „innovationsfördernden“ Qualitäten der vom Staat für die Gesellschaft zur Verfügung gestellten Daten betont werden. Anstatt diese jedoch proaktiv in öffentliche Kommunikationsströme einfließen zu lassen, werden sie in behördlichen Silos zurückgehalten. Nur das individualisierte Verfahren der Informationsfreiheitsgesetze schafft kleine Öffnungen für Einzelne. Erst eine zivilgesellschaftliche Initiative wie FragDenStaat erleichtert, bündelt und veröffentlicht einzelne Anfragen, um ein Korrektiv aufzubauen, das zugleich einer kritischen journalistischen Berichterstattung dient. Die damit offengelegten Ansätze einer Informationsinfrastruktur lässt sich als Teil der Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG lesen.
In der Debatte um die verfassungsrechtliche Verankerung des Informationsfreiheitsrechts wurde eher danach gefragt, wieweit sich der Staat selbst ‒ speziell die Verwaltung ‒ öffnen müsse, um transparenter und demokratischer zu werden. Eine bis heute ungelöste Frage, die ihren jüngsten Impuls durch die Vorlage eines Transparenzgesetzes erhalten hat. Die wichtigste verfassungsrechtliche Grundlage ist hier das Grundrecht auf Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG. Allerdings wird dieses bis heute weit überwiegend als klassisches Abwehrrecht konzipiert. Lange war deshalb umstritten, ob mit dem Grundrecht auch verschlossene Informationen des Staates zugänglich gemacht werden können (A.). Ein Streit, der sich durch die Einführung des IFG weitgehend erledigt hat (B.), wenngleich die verfassungsrechtliche Verankerung des Informationsfreiheitsrechts weiterhin prekär bleibt.
Statt der Frage, inwiefern der Staat selbst in seinem eigenen Handeln transparenter oder demokratischer werden könnte, soll hier ausgeführt werden, inwiefern der Staat aufgrund einer objektiven ‒ genauer infrastrukturellen ‒ Perspektive auf die Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG zum informatorischen Handeln für die Gesellschaft verpflichtet werden kann (C.). Die infrastrukturelle Perspektive auf das Grundrecht basiert auf bekannten Teilaspekten der objektiven Dimension wie dem Schutz durch Organisation und Verfahren; wird aber zugleich ergänzt durch institutionell-transformative Blickwinkel auf das Grundrecht. Bürger:innen können sich nur dann aus frei zugänglichen Informationsquellen informieren, wenn diese Quellen wahrnehmbar sind. Es geht bei der objektiv-infrastrukturellen Dimension der Informationsfreiheit also nicht nur darum, dass der Staat sich selbst öffnet. Vielmehr muss er die eigenen Informationen auf eine Art zur Verfügung stellen, die ein Gegengewicht zur durch privatisierte Interessen strukturierten Informationslandschaft sein können.
Wesentlicher verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt des Informationsfreiheitsrechts ‒ primär des IFG, aber auch des VIG oder UIG ‒ ist das Grundrecht auf Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG. Es ist als Reaktion auf den Faschismus entstanden, da bis 1945 das Lesen, Empfangen und Hören ausländischer Medien verboten war. Die Informationsfreiheit ist nicht so häufig rezipiert worden wie die Meinungs- oder Rundfunkfreiheit. Dennoch steht sie als gleichwertiges Grundrecht neben den anderen Kommunikationsgrundrechten.
Damit die Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG einschlägig ist, bedarf es keines aktiven Tuns der:des Grundrechtsberechtigten. Geschützt ist gerade die Vielfalt der Quellen, aus denen dann die auch passive Informationstätigkeit erfolgen kann: „Nur der Besitz von Informationen ermöglicht eine selbstständige Auswahl“. Informationsquellen beinhalten Informationen beliebiger Art. Die Quellen müssen allgemein zugänglich sein, also technisch geeignet und bestimmt, der Allgemeinheit ‒ als nicht klar abgrenzbaren Personenkreis ‒ Informationen zu verschaffen. Die Allgemeinzugänglichkeit kann gerade nicht durch Hoheitsakte eingeschränkt werden, sondern ist nach den faktischen Begebenheiten zu klären, um ein willkürliches Einschränken zu verhindern. Das Merkmal des Bestimmens im Rahmen der Allgemeinzugänglichkeit bezieht sich auf einen Widmungsakt durch den:die Inhaber:in der Informationsquelle. Presseerzeugnisse wie Zeitungen sind unproblematisch allgemein zugänglich, da sie sich an einen nicht abgrenzbaren Personenkreis richten. Hinsichtlich der in Behörden gelagerten Akten oder auf staatlichen Servern gespeicherten Informationen wurde überwiegend angenommen, dass diese grundsätzlich gerade nicht für die Allgemeinheit bestimmt seien. Hier galt lange das Prinzip der beschränkten Aktenöffentlichkeit, nach dem staatliche Informationen nur für Verfahrensbeteiligte, etwa nach § 29 VwVfG, offengelegt wurden. Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG konnte hieran in seiner Konzeption als Abwehrrecht nichts ändern. Erst durch die Einführung der Informationsfreiheitsgesetze wurde der verfassungsrechtliche Schutz über Umwege eingeführt.
Das Verhältnis des Informationsfreiheitsrechts zu seinen verfassungsrechtlichen Grundlagen ist demnach ungewöhnlich. In der Regel sind viele einfachen Gesetze eine Ausgestaltung von Grundrechten, die deren Freiheiten realisieren soll – wie die Versammlungsgesetze im Verhältnis zur Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG. Auch das Grundrecht auf Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG hat einen Bezug zum Informationsfreiheitsgesetz des Bundes oder jenen der Länder. Allerdings sind diese Gesetze keine Verwirklichung eines etwaigen Verfassungsauftrages, der sich aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG ergeben würde. Aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG folgt nach der überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur gerade kein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Zugang zu behördlichen Informationen. Ein Ausgestaltungsauftrag lässt sich ebenfalls nicht aus den vage formulierten Voraussetzungen des Rechtsstaats- oder Demokratieprinzips herleiten. Stattdessen aktiviert das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes den Schutz der grundrechtlichen Informationsfreiheit in einer paradoxen Rückwirkung: Mit dessen Erlass wurden behördliche Quellen „allgemein zugänglich“ nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG und werden in dem Moment der Aktivierung zugleich durch die Informationsfreiheit geschützt. Verfassungsrecht und einfache Gesetze verflechten sich ineinander.
Aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG erwächst kein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Öffnung verschlossener staatlicher Informationsquellen. Originäre Leistungsansprüche, die auf die Schaffung der Leistung durch den Staat zielen, werden in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes selten angenommen. Ein tragendes Argument ist dabei die Begrenztheit von staatlichen Ressourcen. Wenn etwa Ansprüche auf Sozialleistungen durch die Verfassung verbindlich festgelegt werden, stehen die dafür reservierten Mittel dem demokratischen Gesetzgeber nicht mehr zur Verfügung. Diese Vorbehalte können gegenüber dem Grundrecht auf Informationsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG nicht in gleicher Weise geltend gemacht werden, weil Informationen nicht rivale Güter sind, die sich durch ihre Weitergabe nicht verbrauchen. Allerdings ändert die Nicht-Rivalität von Informationsgütern nichts an der Kritik, nach der aus der Verfassung abgeleitete unmittelbare Leistungsansprüche den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers unzulässig einschränken.
Auch aus dem häufig angeführten Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG ergibt sich kein anderes Ergebnis. Zwar wurde der thematische Bezug der Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG als Grundlage einer informierten Öffentlichkeit im Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Informationsfreiheit schon früh hergestellt. Deshalb wird teilweise eine Art „demokratisches Verteilungsprinzip“ eingeführt, wonach gerade die Geheimhaltung staatlicher Informationen rechtfertigungsbedürftig sei. Auch ist nicht von der Hand zu weisen, dass die demokratische Debatte nur mit einem Zugang zu den Informationen staatlichen Handelns funktionieren kann.. Eine Informiertheit der Öffentlichkeit kann jedoch auf vielfältigen Wegen hergestellt werden, etwa über presserechtliche Zugangsansprüche oder eine parlamentarische Öffentlichkeit. Der Weg einer Neuinterpretation des Grundrechts auf Informationsfreiheit über Art. 20 Abs. 1 GG ist keine Notwendigkeit. Hier verbleibt dem Gesetzgeber ein weitreichender Ausgestaltungsspielraum.
Die Diskussionen um den verfassungsunmittelbaren Anspruch oder das Demokratieprinzip als jeweilige Grundlage eines Zugangs zu Daten der Exekutive haben seit der Einführung verschiedener Informationsfreiheitsgesetze einen Teil ihrer Brisanz eingebüßt. Auch der Staat kann durch einen Widmungsakt eigene Informationsbestände öffnen und sie so als allgemein zugänglich im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG markieren. Dass staatliche Stellen externe Quellen durch Rechtsakt nicht willkürlich einschränken dürfen (z. B. Importverbote von Zeitungen), heißt nämlich nicht, dass sie verhindert wären, eigene Quellen gegenüber der Allgemeinheit zu öffnen. Der Grundrechtsschutz wird damit über die Tätigkeit des einfachen Gesetzgebers aktiviert. Dadurch entsteht eine „rechtlich konstituierte Allgemeinzugänglichkeit“. Über diese Wechselwirkung zwischen einfachem Recht und Verfassungsrecht findet ein inkrementeller Verfassungswandel statt. Das Bild einer „Normenpyramide“ (oben steht die Verfassung des Nationalstaates, dann kommen die einfachen Gesetze, dann die Verordnungen usw.) wird damit spätestens jetzt obsolet.
Was daraus folgt, ist wiederum umstritten. Das Bundesverwaltungsgericht spricht in den jeweiligen Verfahren nur von einem einfachgesetzlichen Anspruch, der sich gegenüber den verfassungsrechtlich abgestützten Ablehnungsgründen eines Informationszuganges (etwa über die informationelle Selbstbestimmung oder die Berufsfreiheit) messen müsse. Für einen weitergehenden Bestandsschutz des einmal eröffneten Informationsfreiheitsrechts könnte jedoch die Verknüpfung mit dem Demokratieprinzip sprechen. Der Widmungsakt kann nicht beliebig zurückgezogen werden, vielmehr muss die Einschränkung eines einmal erweiterten Schutzbereiches über die Schranke in Art. 5 Abs. 2 GG erfolgen. Auch bei der Auslegung des einfachen Rechts sollte das Gewicht des Grundrechts auf Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG in Stellung gebracht werden können. Die Informationsfreiheit steht gleichrangig neben anderen verfassungsrechtlichen Aspekten, mit denen sie in ein Verhältnis praktischer Konkordanz gebracht werden muss. Eine Erweiterung der einfachgesetzlichen Ausgestaltung des Schutzbereiches der Informationsfreiheit könnte sich ebenfalls aus der Rechtsprechung des EGMR ergeben. In Art. 10 Abs. 1 S. 2 der europäischen Menschenrechtskonvention ist das Recht gesichert, „Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben”. Nach der Rechtsprechung des EGMR verhindert dies solche Informationsmonopole des Staates, die auf einer willkürlichen, zensurähnlichen Verhinderung des Informationszuganges beruhen. Nach der Rechtsprechung des EGMR müssen amtliche Informationen etwa dann herausgegeben werden, sofern der Zugang zu den Informationen ‒ speziell bei Nichtregierungsorganisationen ‒ zentral für die Ausübung der Meinungsfreiheit ist. Allerdings ist dieser grundlegende Anspruch nicht direkt auf die Stellung der Informationsfreiheit nach dem Grundgesetz übertragbar, da Art. 10 Abs. 1 S. 2 EMRK nur in den Grenzen des Art. 10 Abs. 2 EMRK existiert, welche wiederum durch das Recht der Mitgliedsstaaten bestimmt werden, die entsprechende Einschränkungen vorsehen. Art. 42 GRCh gewährt zwar einen unmittelbar wirksamen subjektiven Anspruch, gilt jedoch nur gegenüber den Organen der EU.
Die Reichweite des Grundrechts auf Informationsfreiheit erstreckt sich aber nicht nur auf ihr Verhältnis zu anderen verfassungsrechtlichen Positionen. Vielmehr ist sie Teil einer Kommunikationsinfrastruktur, die ‒ genau wie bei den anderen Grundrechten des Art. 5 Abs. 1 GG ‒ niemals isoliert, rein abwehrrechtlich betrachtet werden kann. Der verfassungsunmittelbare Anspruch auf Zugang zu Informationen wäre viel zu individualisiert gedacht, während eine abstrakte Regelung des Demokratieprinzips die spezifischen Verhältnisse von informationsgenerierenden Organisationen und den von ihnen erfassten gesellschaftlichen Gruppen aus dem Blick verliert.
Dieser „infrastrukturelle“ Gehalt der Informationsfreiheit kann am besten jenseits des individualisierten, subjektiven Anspruches auf Informationszugang und diesseits der abstrakten Höhen des Demokratieprinzips lokalisiert werden. Es ist dafür gar nicht nötig, externe verfassungsrechtliche Prinzipien heranzuziehen, stattdessen findet sich eine derartige Ebene in der Informationsfreiheit selbst. Über ihre objektive Dimension werden die Bedingungen einer pluralen Informationslandschaft garantiert.
I. Zur Notwendigkeit einer Neustrukturierung digitaler Öffentlichkeiten
Gerade bei einem Grundrecht wie der Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG ist diese Perspektive besonders naheliegend. Informationen entstehen auch – aber eben nicht typischerweise – „im Kopf“, sondern werden in Organisationen angelegt, abgelegt, übermittelt und verknüpft. Organisationen müssen Informationen generieren, um mit der Komplexität ihrer Umwelt umzugehen. Das gilt nicht nur für staatliche Behörden sondern gerade auch für Wirtschaftsunternehmen, die möglichst viel über ihre Zielgruppen und Konkurent:innen wissen möchten. Egal ob privat oder staatlich, Informationen sind ein kostbares Gut, das aus vielfältigen strategischen Gründen unter Verschluss gehalten und der Öffentlichkeit nur sehr selektiv zugeführt wird. Diese Geheimhaltung wird zu einem verschärften Problem, wenn gerade private Informationen nur beschränkt zugänglich gemacht werden: über die Schnittstellen und Interfaces der Organisationen werden wir mit in der Praxis wirksamen, aber in ihren Kausalitäten nicht nachvollziehbaren Ergebnissen konfrontiert. Daten, die sich nicht verwerten lassen, fallen raus und hinterlassen Leerstellen in den generierten Informationen. Zunehmend werden Informationen auf der Grundlage maschinell lernender Systeme generiert, die ihre Klassifikationen maßgeblich aus den verfügbaren Trainingsdatensätzen generieren müssen. Hier stellt sich das Problem beschränkter Daten verschärft, weil die Vorhersagen der Systeme nicht besser sein können als die zugrundeliegenden Daten über vergangene Vorgänge.
Informationen werden über Kommunikation prozessiert. Kommunikation ist allgegenwärtig, Gesellschaft ist Kommunikation ‒ und sie ist zunehmend digitale Kommunikation. Informationen werden durch die Organisationen in Daten- und Informationsinfrastrukturen eingespeist, die nahezu jede gesellschaftliche Tätigkeit abstützen. Wenngleich das Phänomen der sich in der Gesellschaft über communities of practice herausbildenden Kategorisierungen und Standardisierungen nicht neu ist, hat es sich durch die Verbreitung der elektronischen Kommunikationsmedien doch massiv beschleunigt. Informationsinfrastrukturen „vermitteln den Zugang zu Informationen, bewirken ihre Verteilung und formen die Kommunikation“. Sie arbeiten ‒ wie alle Infrastrukturen ‒ unauffällig im Hintergrund und werden häufig erst sichtbar, wenn sie zusammenbrechen. Die Zentralität von Informationsinfrastrukturen lässt sich umgekehrt dadurch beobachten, dass die Wissenschaft, als Ort, an denen sie besonders deutlich hervortreten, im Fokus der Politik steht. Gerade die für die Generierung von Informationen so zentralen Dateninfrastrukturen sind für weite Teile der Bevölkerung unzugänglich. Niklas Luhmanns bekannte Feststellung „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.“ muss aktualisiert werden und bleibt in ihrer Kernaussage doch zeitlos aktuell: Was wir wissen, wissen wir durch Plattformen. Jene neuen Intermediäre schieben sich zwischen uns und die Welt. Ob Newsfeed bei Twitter oder Suchergebnisse bei Google, immer wird eine individualisierte Realität für jede:n Nutzer:in generiert. An der Oberfläche hat das Netz eine unüberschaubare Vielzahl „allgemein zugänglicher Quellen“ im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG geschaffen, aus denen sich vereinzelte Nutzende isoliert ‒ geradezu nomadisch ‒ informieren können. In einer kommerzialisierten Netzlandschaft weisen diese Quellen in eine spezifische Richtung, je nach den ihnen zugrundeliegenden Interessen der die Informationen generierenden und die Dateninfrastrukturen kontrollierenden Organisationen. Der Nährboden der Informationsfreiheit ist karg.
Das Grundrecht auf Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG wurde vom Bundesverfassungsgericht stets im Verbund mit den anderen Kommunikationsgrundrechten wie der Rundfunk- oder Pressefreiheit gelesen. Alle Grundrechte in Art. 5 GG funktionieren nur, wenn die Ermöglichungsbedingungen ihres abwehrrechtlichen Gehalts mitgedacht werden. Keine Pressefreiheit, ohne Vielfalt der angebotenen Presseorgane. Keine Wissenschaftsfreiheit, ohne öffentlich finanzierte, unabhängige Universitäten. Die häufig unscharfe „objektive Dimension“ der Grundrechte wird klarer, wenn sie als Infrastruktur verstanden werden. Auch das Grundrecht auf Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG muss um eine infrastrukturelle Dimension ergänzt werden, da eine ausreichende Vielfalt allgemein zugänglicher Quellen aufgrund der eben beschriebenen Dynamiken nicht mehr vorausgesetzt werden kann.
II. Infrastrukturelle Dimension der (Kommunikations)Grundrechte
Grundrechte sind mehr als nur Abwehrrechte. Unter dem Oberbegriff der „objektiven Dimension der Grundrechte“ lassen sich vielfältige Phänomene einordnen, die häufig nicht trennscharf abzugrenzen sind. Objektiv meint hier zunächst alle Aspekte des Grundrechtsschutzes, die sich nicht der klassischen abwehrrechtlichen Konstellation (Schutzbereich‒Eingriff) zuordnen lassen. Welcher Stellenwert den Teilaspekten der objektiven Dimension beigemessen wird, ist abhängig von der jeweils einschlägigen theoretischen Perspektive auf Grundrechte. Wenn diese primär als (liberale) subjektive Abwehrrechte gesehen werden, können objektive Komponenten immer nur eine ergänzende Funktion haben. Eine radikale soziologische Gegenposition wäre, Grundrechte nur als Institutionen wahrzunehmen. Luhmann geht in seiner Theorie der Grundrechte als Institutionen davon aus, dass jedes Grundrecht eine spezifische gesellschaftliche Funktion erfüllt. Genauer schützen die Grundrechte die Pluralität („Ausdifferenzierung“) der Gesellschaft vor der Vereinnahmung durch das politische System. Eine angemessene Sichtweise liegt zwischen den beiden Polen subjektiv‒objektiv. Auch Luhmann hält Teilhaberechte an den grundrechtlichen Institutionen für essentiell, während das Bundesverfassungsgericht seit dem Lüth-Urteil von der „objektiven Wertordnung“ in unterschiedlichen Facetten spricht. Es geht also nicht darum, die eine mit der anderen Komponente zu ersetzen.
Stattdessen enthält sie Grundrechtsschutz durch Verfahren oder die Garantie verfassungsrechtlicher Institute. Grundrechte schützen nach dieser Perspektive sehr viel mehr als die Abwehr spezifischer, individualisierter Schutzpositionen. Hierunter fällt etwa der Schutz von sogenannten „Einrichtungsgarantien“: Das Bundesverfassungsgericht spricht uneinheitlich von „Institutsgarantien“, „institutionelle Garantien“, „Instituten“ oder auch nur „Garantien“. Gemeint sind damit Normenkomplexe des einfachen Rechts, die in ihrem Kernbereich einen spezifischen Schutz durch die Verfassung genießen. Klassisches Beispiel ist hier das Institut der Ehe oder des Eigentums, aber auch öffentlich-rechtliche Normen wie die Grundlagen des Berufsbeamtentums können hierunter fallen. Häufig sind mit dem Normengeflecht konkrete Institutionen als sachlich-organisatorische Bündelung von Ressourcen verbunden: Der öffentlich-rechtliche Rundfunkt dient als Gegengewicht zu privater Berichterstattung, die Universität als geschützter Raum des unabhängigen Wissenserwerbs. Damit einher geht eine Notwendigkeit zur Gewährleistung oder Ausgestaltung des Grundrechtsinhaltes. Im Gegensatz zum Eingriff im Sinne der klassischen abwehrrechtlichen Dogmatik müssen die Bedingungen der Freiheit durch den Gesetzgeber selbst geschaffen werden, der einen entsprechend weiten Einschätzungsspielraum hat und sich aus verfassungsrechtlicher Sicht nur an groben Prinzipien orientieren muss. Notwendigkeiten der Ausdifferenzierung eröffnen den Blick auf Institutionen, Netzwerke oder Infrastrukturen, die eine effektive Ausübung grundrechtlicher Freiheit erst ermöglichen. Zugleich war die institutionelle Sichtweise auf die Grundrechte schon immer umstritten, da es nahezu unmöglich sein wird, auf einen zeitlos schützenswerten Wesenskern von Grundrechten zu treffen, die „im Strom des sozialen Wandelns Inseln der alten Zeit“ erhalten. Mit der Behauptung einer immer schon dagewesenen schützenswerten Institution, wird die dahinter stehende Wertung zugleich verdeckt. Wenn hier von der institutionellen ‒ genauer infrastrukturellen ‒ Dimension die Rede ist, soll damit gerade nicht behauptet werden, dass das Grundrechte auf Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG den aktuellen Normenbestand der Informationsfreiheitsgesetze einfriert. Vielmehr sind Grundrechts-Infrastrukturen Ermöglichungsbedingungen, die den Rahmen gesellschaftlicher Selbstorganisation vorgeben und von dieser Selbstorganisation wiederum Impulse der Weiterentwicklung empfangen. Grundrechte stecken „kommunikative Autonomieräume“ für Personen oder Organisationen ab, die nur Fortbestehen können, wenn die Kommunikation weiter läuft. Stete Verknüpfungen sind das Gegenteil einer Erstarrung in „Einrichtungsgarantien“.
In diese Richtung weist auch ein weiterer Teilaspekt der objektiven Dimension der Grundrechte: Schutz durch Organisation und Verfahren. Hier würde eine reine Ergebniskontrolle über Mittel des Rechtsschutzes nicht ausreichen, da mit dem Grundrecht keine festen materiellen Entscheidungskriterien zur Verfügung gestellt werden können oder die Entscheidung in der Retrospektive gar nicht korrigierbar ist. Konkrete Ausgestaltungen durch Verfahren können etwa Drittbeteiligungen, Sorgfalts- sowie Kooperationspflichten sein. Ihre Inhalte ergeben sich nach dem jeweiligen Zweck des Verfahrens, welches sowohl kontrollierend als auch ausgleichend sein kann. Jenseits von Verfahren, in denen bereits konkrete Grundrechtssubjekte aktiv werden, können Organisationsvorkehrungen auch über Dokumentationspflichten aktiv werden, etwa wenn über datenschutzrechtliche Dokumentationen nicht nur eine behördeninterne Reflexion auslöst, sondern auch die Kontrolle durch Aufsichtsbehörden in einem darauf folgenden zusätzlichen Verfahren vorbereitet. Im Bereich des Informationsfreiheitsrechts findet sich eine einfachgesetzliche Ausformung dieses Gedankens in § 11 IFG, der Behörden dazu verpflichtet, Informationen auffindbar zu machen.
Die infrastrukturelle Dimension ist eine Kombination beider Varianten. Infrastrukturen bestehen aus Institutionen, die eine spezifische Rolle erfüllen, aber zugleich nicht statisch gedacht werden können. Gerade Informationen sind in vielfältigen Verfahren kombinierbar und können immer neu verknüpft werden; das was im Negativen für Plattformen gilt, lässt sich als positive Eigenschaft von Informationsinfrastrukturen festhalten: Sie strukturieren Anschlussoperationen. Zugleich erschöpfen sie sich aber nicht in reinen Verfahren, da die Datengrundlage zumindest vorläufig fixiert ist. Ein vorläufiges Festhalten, das immer schon auf die zukünftige Verknüpfung der Informationen angelegt ist. Grundrechtsschutz auf der Grundlage von Infrastrukturen zu denken, bedarf einer Perspektive, die zukünftige Gefahren einer Verengung des Entscheidungsraumes in den Blick nimmt. So hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Klimaschutz gerade die intertemporale Dimension der Grundrechte hervorgehoben, nach der Teile der Verfassung, hier Art. 20a GG, eine Vorwirkung auf die Entfaltungsmöglichkeiten künftiger Freiheiten auslösen. Dieser Zusammenhang zwischen heutigen Handlungen und zukünftigen Beeinträchtigungen ist bei Informationsinfrastrukturen nicht so klar wie bei CO2-Emmissionen, die sich messen lassen, um ‒ politisch natürlich umkämpfte, aber doch theoretisch verteilbare ‒ Budgets an verschiedene organisatorische Einheiten zu vergeben. Und doch lösen auch Informationstechnologien Pfadabhängigkeiten aus. Algorithmische Entscheidungsstrukturen erfordern Ein- und Anpassungen in ihrer Umwelt, die irgendwann so verflochten sind, dass ein Rückbau der Technologie aufwändiger wäre als ihre totale Neukonzeption. In Kommunikationsinfrastrukturen eingespeiste Daten oder Informationen strukturieren Entscheidungen, lagern sich in Gepflogenheiten und neuen Kategorien ab, die langsam in den Hintergrund gleiten und irgendwann ganz selbstverständlich erscheinen. Ein besonders extremes Beispiel sind die komplett abgeschlossenen Informations-Ökosysteme großer Plattformen, deren strategisches Ziel es ist, Nutzer von der Außenwelt abzukapseln und für die Plattform notwendige Infrastrukturen ‒ wie Glasfaserkabel zum Datentransport ‒ in den Konzern zu integrieren. Die „allgemein zugänglichen Quellen“ des Art. 5 GG fließen in zentrale Speicherbecken, von hier aus werden sie über enge Kanäle und Schleusen separiert. Im Interesse aller Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG sollte dieser Fluss möglichst frei sein. Viele Grundrechte sind auf Bedingungen angewiesen, die sich aus ihrem Gehalt nicht unmittelbar herauslesen lassen, aber dennoch untrennbar mit ihm verknüpft sind. Ohne ein funktionierendes Verkehrsnetz liegen die Freiheiten aus Art. 8, 11, 14 GG brach; ohne eine ausreichende Versorgung mit sauberem Trinkwasser ist Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG nicht denkbar. Die Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG ist auf die Vielfalt der Informationsquellen angewiesen. Da jede Generierung von Daten oder Informationen, wie oben dargelegt, bestimmte Teilbereiche und Perspektiven notwendig ausschließt, sind hier möglichst viele alternative Zugänge notwendig. Wie sogleich gezeigt werden soll, genießen gerade im öffentlichen Interesse generierte Informationen oder Daten einen gewissen Vertrauensvorschuss und sind für die Vielfalt der Kommunikationslandschaft umso wertvoller.
Was hier nicht thematisiert werden kann, ist die Gestaltung der verteilenden Infrastrukturen selbst. Das ist ein Feld der Plattformregulierung oder der Unterstützung föderierter Alternativen. Stattdessen soll es hier im Rahmen der Informationsfreiheit um die Diversifizierung der eingespeisten Daten und Informationen gehen.
Grundrechtsberechtigte sind auf allgemein zugängliche vielfältige Quellen angewiesen, um sich so substantiell zu informieren, dass die restlichen Kommunikationsfreiheiten aus Art. 5 Abs. 1 GG ausgeübt werden können. Vielfalt meint hier eine Ergänzung um Daten und Informationen die im öffentlichen Interesse erhoben worden sind. Diese Informationen müssen als ergänzende Knoten in die Informationsinfrastruktur eingespeist werden. Ein Grundrecht kann hier nur grobe Leitlinien vorgeben, da die Informationslandschaft zu vielfältig ist, um als eine allumfassende „Informationsordnung“ staatlich „garantiert“ zu werden.
Um die Vielfalt allgemein zugänglicher Quellen anzureichern, müssen alle staatlichen Informationen im Zweifel frei zugänglich sein. Damit ist nicht die Chance gemeint, in einem individuellen Verfahren personalisierte Informationen zu erhalten. Stattdessen müssen öffentlich finanzierte Informationen maschinenlesbar, live einsehbar werden. Freier Zugang in einem individualisierten Verfahren reicht demnach gerade nicht aus. Diese Veröffentlichungspflichten bestehen in gewissen Rechtsgebieten und Bundesländern teilweise schon jetzt. Durch das geplante Transparenzgesetz sollen sie weiter ausgebaut werden. Informationen aus staatlichen Quellen haben aufgrund der Beständigkeit staatlicher Tätigkeit und der daraus folgenden Beständigkeit ihrer Websites das Potential, ein gutes Ranking in den Suchmaschinen zu erhalten. Sie sind als vertrauensvolle Knoten im Netzwerk besonders bevorzugt in der Anzeige von Suchmaschinen. Sobald sie auf andere Webseiten verweisen, werden diese ebenfalls bevorzugt ‒ ihnen ist also eine Art Sogwirkung zuzusprechen. Wenngleich sich die Macht der neuen Informationsintermediäre aus der Logik des Grundrechts auf Informationsfreiheit heraus nicht beseitigen lässt, kann die Informationslandschaft doch wenigstens um qualitativ hochwertige Daten und Informationen angereichert werden.
Das Verbergen von Informationen sollte die eng definierte Ausnahme sein. Nicht ohnehin sofort komplett veröffentlichte Quellen müssen wenigstens in Ansätzen einsehbar sein, um eine erste Orientierung der Informationssuchenden zu ermöglichen. Als eine Art Vorstufe der Veröffentlichungspflicht sollten hier wenigstens die Eck- und Metadaten einer Information angegeben werden, um individuelle Anträge auf Informationszugang anzuregen. Diese Voraussetzung ist in Ansätzen bereits jetzt in § 11 IFG angelegt. Die Veröffentlichung darf nicht beliebig sein, sondern einer möglichst klaren, auf Vernetzung angelegten Struktur folgen. Gerade bei Portalen wie FragDenStaat zeigt sich, dass wesentlich mehr Anfragen gestellt werden, wenn die Verfahren transparent und zugänglich sind. Warum müssen diese Portale durch die Zivilgesellschaft organisiert werden? Ohne einer Reintegration der Informationsbeschaffung in staatliche Hoheitsgebiete das Wort zu reden, wäre zumindest eine staatliche Förderung/Abstützung derartiger Infrastrukturen angebracht. Falls der Staat eigene „Transparenzportale“ schafft, müssen sich diese an den Erfahrungen der Zivilgesellschaft orientieren. Eigene Portale dürfen gerade nicht dazu dienen, Informationen zwar zu veröffentlichen, aber den Zugang zu ihnen durch verminderte Bedienbarkeit oder andere Voraussetzungen zu erschweren.
Auf spezifische Rechtssubjekte zugeschnittene Verfahren verschwinden nicht. Sie können weiter existieren, etwa wenn Daten aufgrund entgegenstehender Belange nicht veröffentlicht werden können und nur über ihre Metadaten einsehbar sind. In begründeten Ausnahmefällen können dann auch diese Informationen zugänglich gemacht werden. Außerdem wäre eine Art infrastrukturelles Interventionsrecht denkbar. Wenn klar ist, dass staatliche Stellen systematische Hürden aufbauen, wäre dies mit einer Klage angreifbar.