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Amtliche Informationen

Published onDec 06, 2022
Amtliche Informationen
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Alle hier zitierten Quellen finden sich in der digitalen Literaturdatenbank.

Die digitale Version dieses Kapitels ist kommentierbar, kann automatisch zitiert und in vielen Formaten heruntergeladen werden. Eine Anleitung findet sich hier.


A. Allgemeines

Die Bedeutung und der Umfang des Begriffes der amtlichen Informationen ist für den IFG-Anspruch von erheblicher Relevanz, da der Begriff den Bezugsgegenstand des ansonsten voraussetzungslosen Informationszugangsanspruches darstellt. Er ist daher wesentlich für den Umfang des einfachgesetzlichen Anspruches wie auch für die Bestimmung des Schutzbereiches der grundgesetzlichen Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG.1

Die verschiedenen Informationszugangs- und Akteneinsichtsansprüche auf Länder-, Bundes- und EU-Ebene verwenden unterschiedliche Begriffe für den Bezugsgegenstand. Während das IFG des Bundes von „amtlichen Informationen“ spricht, wird in anderen Gesetzen die Einsicht in „Akten“ (etwa § 3 Absatz 1 Satz 1 IFG Berlin und § 1 AIG Brandenburg) oder der Zugang zu „Dokumenten“ (etwa VO (EG) Nr. 1049/2001) geregelt.

Diese Unterschiede können praktisch relevant sein, wie die unterschiedlichen Ausgänge der Gerichtsverfahren zeigen, in denen es jeweils um den Zugang zu Terminkalendern von Regierungsmitgliedern ging.2 Die Klage auf Einsicht in den Terminkalender des damaligen Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit wurde vom VG Berlin und OVG Berlin-Brandenburg mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Berliner IFG nur einen Anspruch auf Einsicht in „Akten“ vorsehe. Der Begriff der Akten knüpfe an das im allgemeinen Verwaltungsrecht herkömmliche Verständnis von „Akten“ an und setze daher Vorgangsbezogenheit voraus.3 Ein Terminkalender weise jedoch lediglich einen organisatorischen Charakter auf und habe daher keinen Bezug zu einem konkreten Verwaltungsvorgang.4 In dem Verfahren, in dem es um Zugang zu dem Terminkalender der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel ging, entschied dasselbe Gericht hingegen, dass ein Informationsanspruch nach dem IFG des Bundes dem Grunde nach bestehe. Jedenfalls bei den dienstlichen Terminen handele es sich um amtliche Informationen im Sinne des § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG.5

Daher ist zunächst auf den genauen Wortlaut des Bezugsgegenstandes zu schauen. Der Begriff der „Informationen“ im IFG des Bundes ist der am weitesten gefasste Bezugsgegenstand.

Praxistipp: Sollten Behörden oder Gerichte auch bei Anspruchsgrundlagen, die sich ausdrücklich auf „Informationen“ beziehen, den Bezug zu einem konkreten Verwaltungsvorgang fordern, kann dieser Forderung die oben genannte Rechtsprechung entgegengehalten werden.

In der Literatur wird zum Teil argumentiert, dass die unterschiedliche Terminologie keine Relevanz habe, da auch im IFG des Bundes Bezug auf Vorgänge genommen werde (§ 2 Nr. 1 Satz 2 IFG) und eine Speicherung gefordert sei (§ 2 Nr. 1 Satz 2 IFG).6 In der Rechtsprechung hat sich diese restriktive Auslegung des Bundes IFG bisher nicht durchgesetzt.

B. Begriff der Informationen im IFG

Der Begriff der Informationen im IFG des Bundes ist in § 2 Nr.  1 Satz 1 legaldefiniert. Demnach ist eine amtliche Information jede Aufzeichnung, die amtlichen Zwecken dient, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Gem. § 2 Nr. 2 Satz 2 gehören Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, nicht dazu. Der Anspruch aus § 1 Absatz 1 Satz 1 und 2 IFG richtet sich nur gegen Behörden des Bundes und sonstige Bundesorgane und -einrichtungen, soweit diese Verwaltungsaufgaben wahrnehmen.

Es muss sich bei den begehrten Informationen daher um solche handeln, die bei den Behörden des Bundes und den weiteren informationspflichtigen Stellen angefallen sind (Link zu Kapitel „Informationspflichtige Stellen“), er setzt aber nicht voraus, dass eine informationspflichtige Stelle auch Urheberin der Informationen ist. Vielmehr ist es irrelevant, ob die Informationen von Privaten (z.B. Unternehmen oder Gutachter*innen) stammen oder von der Behörde selbst angefertigt worden sind, soweit sie zu amtlichen Zwecken gespeichert werden.7

In mehrfacher Hinsicht relevant ist jedoch das Merkmal der Aufzeichnung. Zum einen unterscheidet sich der IFG-Anspruch darin wesentlich von dem presserechtlichen Auskunftsanspruch. Über das IFG können nur Informationen verlangt werden, die bereits aufgezeichnet worden sind, also irgendwo verkörpert sind. So ist das reine Wissen eines Mitarbeitenden einer Behörde mangels Verkörperung keine Information im Sinne des IFG.8 Über den IFG-Anspruch kann daher nicht die Beantwortung von Fragen verlangt werden, es sei denn, es handelt sich dabei um die Wiedergabe einer verkörperten Information, z.B. die Auskunft über einen hinreichend bestimmten Akteninhalt. Denn gem. § 1 Absatz 2 Satz 1 IFG Bund kann die antragstellende Person grundsätzlich selbst entscheiden, wie ihr der Zugang zu den Informationen gewährt wird, insbesondere, ob ihr Auskunft erteilt werden soll oder ob sie selbst in die Akten schauen möchte.

Über den IFG-Anspruch können auch keine Rechtsberatung und keine Bewertung von Vorgängen oder allgemeine Stellungnahmen seitens der staatlichen Stelle verlangt werden.

Da die Behörde aber gem. § 1 Absatz 2 Satz 2 – neben der Gewährung von Akteneinsicht – auch zur Erteilung von Auskunft verpflichtet ist, kann die Abgrenzung in der Praxis im Einzelnen schwierig sein, insbesondere weil der konkrete Akteninhalt der antragstellenden Personen regelmäßig nicht detailliert bekannt sein wird, so dass sich diese Person auch zunächst mit einer allgemein formulierten Anfrage einen Überblick verschaffen darf, um dann in einem zweiten Schritt einen präzisierten Antrag zu stellen.9

Praxistipp: Da viele staatliche Stellen auch die Beantwortung von Bürger*innenanfragen oder -eingaben vorsehen, diese jedoch nicht mit gleichwertigen Rechten und Pflichten einhergehen, empfiehlt es sich, den Antrag explizit auf das IFG zu stützen.

I. Aufzeichnung

Gem. § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG bezieht sich der Zugangsanspruch nur auf aufgezeichnete Informationen, also solche, die auf einem Speichermedium festgehalten und mithin verkörpert sind. Da es auf die Art des Speichermediums nicht ankommt10, ist die Verkörperung das zentrale Merkmal für die Frage, ob eine vom IFG-Anspruch umfasste „Information“ vorliegt.

Die Ausführungen in der Gesetzesbegründung helfen zum Verständnis des Begriffes der Aufzeichnung nur bedingt weiter. Die Ergänzung dahingehend, dass die Informationen auf einem Informationsträger gespeichert sein müssen, wird in der Literatur richtigerweise als Zirkelschluss kritisiert.11 Verständlicher wird der Begriff durch die Aufzählung der verschiedenen in Betracht kommenden Formen von Aufzeichnungen, namentlich Schriften, Tabellen, Diagramme, Bilder, Pläne und Karten sowie Tonaufzeichnungen.12

Des Weiteren helfen Abgrenzungen: Bloße Ideen, Gedanken, Bewertungen, Rechtsaufassungen oder Wissen von einzelnen Mitarbeitenden sind vom IFG-Anspruch ausgeschlossen.13 Sobald Ideen, Gedanken etc. jedoch aktenkundig gemacht oder irgendwo festgehalten werden, ist die Voraussetzung der Verkörperung erfüllt.

Da heutzutage aufgrund der ständigen Verfügbarkeit der notwendigen Technik Ideen und Gedanken oft reflexartig festgehalten werden, stehen die Chancen oft gut, dass IFG-taugliche Informationen bereits vorhanden sind. Befinden sich diese Informationen jedoch noch im Stadium von Entwürfen und Notizen, bleiben sie dennoch vom IFG-Anspruch ausgeschlossen (vgl. § 2 Nr. 1 IFG).14

Das Begriffspaar „Aufzeichnung“ und „Speicherung“ ist außerdem dadurch relevant geworden, dass daraus eine prinzipielle Trennbarkeit als Voraussetzung abgeleitet wurde. Anlässlich einer Klage auf Zugang zu Kunstwerken in einem Museum, die sich auf das Hamburger Informationsfreiheitsgesetz stützte, hatte das VG Hamburg hierauf Bezug genommen und entschieden, dass das Vorliegen einer Aufzeichnung voraussetze, dass die Informationen von der informationspflichtigen Stelle herausgegeben werden können, ohne dass diese die Informationen verlöre.15 Für Kunstwerke sei das nicht der Fall, so dass diese keine amtlichen Informationen im Sinne des IFG sein können.

II. Speichermedium

Gem. § 2 Nr. 1 S. 1 IFG umfasst der Informationsbegriff ausdrücklich jede Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. In der dazugehörigen Begründung im Gesetzesentwurf werden verschiedene Speichermöglichkeiten aufgezählt, etwa elektronische Speicherung auf Magnetbänder, Magnetplatten, Disketten, CD-ROMs oder DVDs, optische Speicherung auf Filmen, Fotos auf Papier oder, akustische Speicherung.16 Die Ergänzung „oder anderweitig gespeichert“ macht deutlich, dass es sich bei der Aufzählung nur um eine beispielhafte, nicht abschließende Aufzählung handelt.

In der Literatur wird der Begriff daher als technologieneutral und entwicklungsoffen verstanden.17 Er ist deshalb entsprechend dem Fortschritt der Datenspeicherungstechniken dynamisch auszulegen. Auch das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG im Hinblick auf die in Betracht kommenden Speichermedien weit auszulegen ist.18 Das Gericht bekräftigte, dass die nicht abschließende Aufzählung in der Gesetzesbegründung weitgehend den technischen Stand aus dem Jahr 2004 wiedergebe und daher entsprechend der technischen Entwicklung anzupassen sei.19 Daher können nach dem Bundesverwaltungsgericht auch Twitter-Direktnachrichten, die nicht unmittelbar auf behördeneigenen Speichermedien gespeichert sind, sondern auf den Servern der Twitter Inc., also in einer Cloud, nach diesem Maßstab amtliche Informationen sein.20

III. Amtlichkeit

Nur „amtliche“ Informationen sind vom informationsrechtlichen Zugangsanspruch umfasst. Nach der Begriffsbestimmung in § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG kommt es für die Amtlichkeit darauf an, ob die Aufzeichnung amtlichen Zwecken dient.

Daher ist sowohl der Aufbewahrungsort21 als auch die Herkunft und Urheberschaft für die Amtlichkeit unerheblich (für Informationen von anderen Behörden und Privaten, siehe unter V.). Des Weiteren ist Amtlichkeit nicht so zu verstehen, dass der Zugangsanspruch nur auf Informationen beschränkt ist, die bei hoheitlichem Verwaltungshandeln angefallen sind.22 Daher liegen auch amtliche Informationen vor, wenn diese mit schlicht-hoheitlichem (auch Realakt oder tatsächliches Handeln genannt) oder fiskalischem Behördenhandeln im Zusammenhang stehen23 oder nur bei einem internen Vorgang innerhalb der Behörde angefallen sind.24

Darüber hinaus gehen Literatur und Rechtsprechung bisher von einem weiten Verständnis von Amtlichkeit aus. Demnach reicht es aus, wenn die gespeicherte Information die Behörde oder sonst informationspflichtige Stelle betrifft25, diese bei der Erfüllung einer amtlichen Tätigkeit angefallen ist26 oder sie in anderer Weise im Zusammenhang mit einer amtlichen Tätigkeit steht27. Dieses weite Verständnis entspricht auch der Gesetzesbegründung, nach der von dem Begriff der Amtlichkeit nur solche Informationen nicht erfasst sein sollen, die rein privater Natur sind oder solche, die nicht mit amtlicher Tätigkeit zusammenhängen.28

In Abgrenzung zu Satz 2, nach dem Entwürfe und Notizen doch unter amtliche Informationen fallen, sobald sie Bestandteil eines konkreten Verwaltungsvorganges werden sollen, gehen Literatur29 und Rechtsprechung30 davon aus, dass der Bezug zu einem konkreten Verwaltungsvorgang für Satz 1, also die Feststellung der Amtlichkeit, keine Voraussetzung ist. Diese Annahme wird auch dadurch gestützt, dass in anderen Informationsfreiheitsgesetzen, wie z.B. dem Berliner IFG, der Zugangsanspruch ausdrücklich auf Akten begrenzt ist, woraus der Bezug zu einem konkreten Verwaltungsvorgang abgeleitet wird.31

Das Bundesverwaltungsgericht hob jüngst hervor, dass nach dem Wortlaut der Legalumschreibung in § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG gerade die Aufzeichnung, also das Festhalten und Speichern, amtlichen Zwecken dienen müsse, nicht die Information selbst.32 Diese Differenzierung ist in der Literatur sowohl auf Ablehnung33 als auch auf Zustimmung34 gestoßen.

Fall: Twitter-Direktnachrichten des Bundesinnenministeriums (BMI)

In dem Fall hatte FragDenStaat Einsicht in Twitter-Direktnachrichten des BMI begehrt. Das BMI hat nach eigenen Aussagen Twitter-Direktnachrichten für informelle Kommunikation genutzt, das heißt insbesondere um Terminabsprachen zu treffen und Bürger*innenanfragen oder Fragen von Journalisten zu beantworten. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil es sich bei den Nachrichten nicht um amtliche Informationen handeln soll. Die Nachrichten hätten nur eine geringfügige Relevanz und das BMI speichere die Nachrichten nicht selbst. Die Speicherung erfolge nur aufgrund des Geschäftsmodells von Twitter Inc.

In dem Fall zu Twitter-Direktnachrichten hat das Bundesverwaltungsgericht erstmals einen Maßstab für die amtliche Zweckbestimmung aufgestellt. Demnach soll sich der Zweck entweder aus dem subjektiven Willen derjenigen Behörde, die die Aufzeichnung veranlasst, oder aus den objektiven Regelungen über eine ordnungsgemäße Aktenführung35 ergeben.36

Dieser Maßstab wurde in der Literatur vielfach als eine deutliche Verengung des Begriffs der Amtlichkeit verstanden.37 Die Verengung ergibt sich zum einen daraus, dass zuvor der Begriff der Amtlichkeit nur negativ bestimmt worden war, sodass alles, was nicht ausschließlich und eindeutig privat ist, den amtlichen Informationen zugeordnet wurde. Nun muss die Amtlichkeit anhand der oben genannten Kriterien positiv bestimmt werden.

Zum anderen ergibt sich die Verengung auch aus der konkreten Auslegung und Anwendung diesen Maßstabs in der Entscheidung zu Twitter-Direktnachrichten. So hatte das Bundesverwaltungsgericht in diesem Fall den Zugang zu Twitter-Direktnachrichten des BMI mit der Begründung verneint, es handle sich dabei nicht um amtliche Informationen, und zwar weder nach der subjektiven noch nach der objektiven Zweckbestimmung.

a) Subjektive Zweckbestimmung

Insbesondere die konkrete Anwendung der subjektiven Zweckbestimmung in dem Twitter-Direktnachrichten-Fall hat Kritik erfahren. Hier hat das Bundesverwaltungsgericht argumentiert, dass überhaupt keine subjektive Bestimmung – also kein behördlicher Wille – zur Aufzeichnung vorliege, da das BMI die Twitter-Direktnachrichten nicht selbst speichere, sondern nur die Twitter Inc. Diese tue das automatisch und aufgrund eines eigenen Geschäftsmodells, aber nicht etwa als Verwaltungshelfer im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 3 IFG.38

Obwohl es sich bei den Nachrichten, auch nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, um amtliche Kommunikation, namentlich ministerielle Öffentlichkeitsarbeit, handelt, soll gerade die Speicherung nicht zu amtlichen Zwecken erfolgt sein.39 Der amtliche Zweck der Kommunikation erledige sich mit deren Abwicklung, gleich der fernmündlichen Kommunikation.40

In der Literatur wird dieses Verständnis und damit diese konkrete Anwendung des Maßstabes zu Recht kritisiert.41 Grundsätzlich sollte bei der Nutzung von Cloud-Diensten, davon ausgegangen werden, dass neben der Bearbeitung auch die dafür notwendige Speicherung vom Willen der Mitarbeitenden der Behörde umfasst ist. Soweit also der in einer Cloud gespeicherte Inhalt zu amtlichen Zwecken bearbeitet wird, dient auch die „Aufzeichnung“ amtlichen Zwecken. Die automatische Speicherung ist heutzutage oft fester Bestandteil der Nutzung von Apps, Messenger-Diensten oder anderen Clouds (Windows etc.). Wenn sich eine Behörde dieses Services bedient, muss ihr auch die automatische Speicherung zugerechnet werden.

Bei einer solchen lebensnahen Anwendung kann sich der Maßstab der subjektiven Zweckbestimmung durchaus als brauchbar erweisen.

Diese Rechtsprechung könnte dennoch für die Transparenz behördlichen Handelns negative Folgen haben, insbesondere da amtliche Kommunikation zunehmend über Messenger-Dienste, Twitter und Ähnliches stattfindet und sich die Fälle häufen, in denen entscheidende Informationen über diese Kanäle „verschwinden“ oder der Öffentlichkeit der Zugang verweigert wird. So wurden etwa die Handydaten der damaligen Bundesverteidigungsministerien Ursula von der Leyen gelöscht, obwohl sie zu Beweismitteln eines Untersuchungsausschusses erklärt worden sind.42 Auch das Handy des damaligen Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer, dessen Daten ebenfalls Gegenstand eines Untersuchungsausschusses werden sollten, wurde „routinemäßig zurückgesetzt“.43 Jüngst verweigerte das Auswärtige Amt FragDenStaat den Zugang zu den Messenger-Nachrichten des ehemaligen Außenministers Heiko Maas zum Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan.44 Das Auswärtige Amt trägt vor, es habe alle Daten auf dem vom Auswärtigen Amt zur Verfügung gestellten Handy bereits gelöscht und alle aktenrelevanten Daten gesichert. Messenger-Kommunikation sei jedoch nicht darunter, da darüber amtliche Kommunikation nicht vorgesehen sei.

Dabei gilt auch nach jetziger Rechtslage, dass, sobald die Speicherung für die amtliche Tätigkeit relevant ist – etwa weil es sich um wichtige Informationen handelt, auf die auch der*die Amtsträger*in später noch zurückgreifen möchte – es sich um amtliche Informationen handelt. Dennoch wird in der Behördenpraxis der Zugang zu solchen Informationen unter Berufung auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits teilweise abgelehnt oder solche Informationen gelöscht.

In der Rechtsprechung wurde die Amtlichkeit mangels subjektiver Zweckbestimmung bezüglich der Quellcodes von Behördensoftware abgelehnt, da der Besitz der Aufzeichnung des Quellcodes für die staatliche Aufgabenerfüllung, selbst für die Arbeit mit einem hierauf beruhenden Programm, nicht erforderlich sei.45

Praxistipp: Wenn der Zugang zu Informationen gewünscht ist, die sich in Clouds befinden könnten oder bei denen die Speicherung nicht unmittelbar von der Behörde veranlasst wird, sollte dargelegt werden, dass auch gerade die Speicherung für den amtlich Zweck wichtig ist und daher vom subjektiven Willen des Mitarbeitenden der Behörde umfasst sein muss.

b) Objektive Zweckbestimmung:

Als alternativen Maßstab führte das Bundeverwaltungsgericht die objektive Zweckbestimmung ein. Danach ist zu prüfen, ob die Informationen nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Aktenführung aufzuzeichnen gewesen wären. Maßgeblich sei insoweit, „ob sie Teil eines Verwaltungsvorgangs werden sollen, mit anderen Worten ob sie aktenrelevant sind.“ Damit führte das Bundesverwaltungsgericht einen das bisherige Verständnis von Amtlichkeit erheblich einschränkenden Maßstab ein.

Der Zusammenhang zu einer amtlichen Tätigkeit soll demnach insbesondere dann entfallen, wenn Informationen wegen ihres bagatellartigen Charakters nicht aufzuzeichnen sind.46 Denn solche Informationen sollen nicht Gegenstand eines Verwaltungsvorganges werden. Letzteres solle sich nach wie vor nicht nach den für ein Verwaltungsverfahren nach § 9 VwVfG geltenden Maßstäben bemessen, die Informationen müssen also nicht nur nach außen gerichtete Tätigkeiten der Verwaltung betreffen, an deren Ende ein Verwaltungsakt steht.47 Stattdessen seien die Grundsätze der ordnungsgemäßen Aktenführung ausschlaggebend.48 Bei der Prüfung, ob die streitgegenständlichen Twitter-Direktnachrichten diesen Grundsätzen entsprechend Gegenstand eines Verwaltungsvorganges hätten werden sollen, richtet sich das Bundesverwaltungsgericht allein nach Registraturrichtlinie des Bundes (Richtlinie für das Bearbeiten und Verwalten von Schriftgut (Akten und Dokumenten) in Bundesministerien vom 11. Juli 2001/RegR). Die Registraturrichtlinie sieht eine Differenzierung zwischen aktenrelevantem Schriftgut und solchem Schriftgut vor, das sofort oder alsbald zu vernichten ist. Gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 RegR sind Dokumente ohne Informationswert zu vernichten, bei nur geringem Informationswert sind sie als Weglegesache im Sinne der Anlage 1 zu behandeln. Weglegesachen sind danach nicht zu den Akten zu nehmen, sondern kurzfristig, in der Regel bis zum Ablauf des Kalenderjahres aufzubewahren. Auch ihnen kommt keine Aktenrelevanz zu.

Damit verengt das Bundesverwaltungsgericht den Begriff der Amtlichkeit zweifach. Zum einen durch die (teleologische) Reduktion auf die Aktenrelevanz – wobei die Auslegung geradewegs dem Zweck des Gesetzes, nämlich der Ermöglichung der politischen Teilhabe aller sowie der Kontrolle staatlichen Handelns, zuwiderläuft49 – und zum anderen dadurch, dass sich die Prüfung der Einhaltung des Gebotes einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Aktenführung in der Einhaltung einer abstrakten Verwaltungsvorschrift, die primär der Ablage von Schriftgut dient, erschöpft.

Das Kriterium der Aktenrelevanz ist in der Literatur auf viel Kritik gestoßen. Der Wortlaut der Legaldefinition spricht dagegen. Nach § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG soll gerade „jede“ Aufzeichnung zu amtlichen Zwecken eine amtliche Information sein.50 Die Aktenrelevanz spielt ausdrücklich nur für Entwürfe und Notizen in Satz 2 eine Rolle und darf im Umkehrschluss für Satz 1 gerade nicht gelten. Auch in der Gesetzesbegründung werden die Regeln zur ordnungsgemäßen Aktenführung nur herangezogen, um abzugrenzen, ob Entwürfe und Notizen Bestandteil eines Verwaltungsvorganges sein sollen und damit dann doch dem IFG-Anspruch unterfallen.51

Des Weiteren bestimmt so die staatliche Stelle durch das Kriterium der Aktenrelevanz vorab über den Wert der Information und damit über den Umfang und Tiefe der sie betreffenden Kontrolle durch den informationsrechtlichen Zugangsanspruch.52 Der materielle und ideelle Wert kann sich aber für die Öffentlichkeit oder die antragstellende Person ganz anders darstellen.53 So kann gerade auch an der Kommunikation des BMI mit der Presse über Social Media ein erhebliches öffentliches Interesse bestehen.54

Fraglich ist auch, ob die Registraturrichtlinie, als Teil der Geschäftsordnung der Bundesministerien, also einer von der Bundesregierung erlassenen Verwaltungsvorschrift, die sich als Dienstanweisung an die Bundesministerien und ihre Bediensteten wendet55, dem Gestaltungsauftrag des Grundgesetzes verfassungsrechtlich genügt.56

Selbst nach der Registraturrichtlinie unterfallen Weglegesachen, also bagatellartige Informationen, – wenn auch kurzen – Aufbewahrungsfristen. Zumindest während dieser Aufbewahrung müsste es sich also um amtliche Informationen handeln, da diese zu amtlichen Zwecken aufbewahrt werden.57 Aber selbst eine andere Auslegung der Registaturrichtlinie würde nicht darüber hinweghelfen, dass der einseitigen Bestimmung des Wertes von Informationen ein Willkürmoment und ein erhebliches Missbrauchspotenzial anhaftet.

In der Literatur wird daher weiterhin ein funktionaler Begriff der Amtlichkeit für vorzugswürdig gehalten, wonach jede im Zusammenhang mit der Erfüllung behördlicher Aufgaben stehende Information eine amtliche Information ist, und damit eben auch Twitter-Nachrichten einer Medien- und Pressestelle einer Behörde.58

Auch der Verweis des Bundesverwaltungsgerichts auf die Literatur, auf die es die Aktenrelevanz stützt, ist zu hinterfragen. Schoch betont an der zitierten Stelle, dass das Gebot der ordnungsgemäßen Aktenführung der Sicherung der Amtlichkeit diene,59 zum bestimmenden Kriterium für die Amtlichkeit macht es erst das Bundesverwaltungsgericht.

Diesen Ansatz kritisiert auch die Europäische Ombudsstelle in ihrer Empfehlung hinsichtlich der Offenlegung von Textnachrichten, die zwischen der Präsidentin der EU-Kommission und einem pharmazeutischen Unternehmen zum Thema Covid-19-Impfstoff ausgetauscht worden sind.60 Demnach sei es nicht ausschlaggebend, ob eine Textnachricht in der Registratur einer Institution registriert worden sei. Dies sei eine Konsequenz eines amtlichen Dokuments (hier im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001), aber nicht dessen konstitutive Voraussetzung.61

C. Vorhandensein der Informationen

Aus dem Wortlaut ergibt sich im Unterschied zu anderen informationsrechtlichen Zugangsansprüchen, wie etwa in § 2 Abs. 4 UIG Bund oder in § 3 Abs. 1 S. 1 BlnIFG, die Beschränkung auf vorhandene Informationen nicht.

Dennoch wird auch der Anspruch aus § 1 Absatz 1 Satz 1 und 2 IFG ganz überwiegend im Schrifttum wie auch in der Rechtsprechung so verstanden, dass er auf bei den informationspflichtigen Stellen vorhandenen Informationen begrenzt ist.62

Dies wird zum einen aus dem Merkmal „Aufzeichnung“ aus § 2 Nr. 1 IFG und der Voraussetzung der Verfügungsbefugnis aus § 7 Abs. 1 S. 1 IFG abgeleitet.63 Zum anderen geht es nach dem Bundesverfassungsgericht bei dem Kriterium des Vorhandenseins vor allem darum, den Zugangsanspruch von einer Informationsbeschaffungspflicht abzugrenzen, die der Gesetzgeber nicht begründen wollte. 64

I. Informationsbeschaffung

Tatsächlich hat die Voraussetzung des Vorhandenseins von Informationen bisher in der Rechtsprechung vor allem Bedeutung erlangt, wenn es darum ging, eine Pflicht zur Informationsbeschaffung oder Aufbereitung für Behörden abzulehnen. Eine Information ist demnach nicht vorhanden, wenn sie erst beschafft oder durch Untersuchungen generiert werden muss.65

Ein Anspruch zur Informationsbeschaffung oder -generierung wird ganz überwiegend abgelehnt. Behörden können demnach nicht zur Erhebung von Daten veranlasst werden, auch wenn sie diese Daten für die Erfüllung ihrer Aufgaben beschaffen könnte oder auch müsste.66 Auch Informationen, die bei anderen Behörden oder bei Privaten liegen, müssen von der angefragten Behörde nicht herausverlangt werden.67

Teilweise wird von informationspflichtigen Stellen versucht, eine vom IFG-Anspruch nicht umfasste Informationsbeschaffung oder Neugenerierung anzunehmen, wenn der Aufwand für die Recherche im eigenen Datenbestand oder die Zusammenstellung erhöht ist. Dies kommt insbesondere in solchen Fällen vor, in denen die gewünschten Informationen nicht unter den angefragten Schlagwörtern abgelegt worden sind.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Fall, in dem u.a. die Anzahl der über die Sachmittelpauschale für Abgeordnete des Bundestages abgerechneten iPods angefragt wurde, entschieden, dass die erforderliche „nachträgliche Rekonstruktion“ der Code-Nummern in Sachinformationen eine reine Übertragungsleistung sei, „die als Vorbedingung des Informationszugangs lediglich ein in verwaltungstechnischen Erwägungen wurzelndes Zugangshindernis beseitigt“.68 Im Einzelfall kann es jedoch schwierig sein, abzugrenzen, ob es darum geht die Informationen zusammenzustellen, weil sie zufällig aufgrund einer internen Entscheidung anders veraktet und sortiert sind, oder ob es um eine vom IFG-Anspruch nicht umfasste inhaltliche Aufbereitung von Informationen geht.69

Jedenfalls kann allein ein erhöhter Rechercheaufwand nicht ausreichen, um eine Neugenerierung anzunehmen. Dies müsste umso mehr gelten, wenn der erhöhte Rechercheaufwand auf eigenes Organisationsverschulden zurückzuführen ist. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieht in einer Verweigerung der Erfüllung eines IFG-Antrages aufgrund eigener Versäumnisse in der Aktenführung eine Verletzung der Informationsfreiheit aus Art. 10 EMRK an.70 Demnach kann sich eine Behörde auf das Nicht-Vorhandensein einer Information oder auf einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand bei der Beschaffung nicht berufen, wenn die Schwierigkeiten bei der Informationsbeschaffung von der Behörde selbst verschuldet sind, etwa weil relevante Entscheidungen nicht regelmäßig veröffentlicht werden und in der Vergangenheit daher für eine Veröffentlichung nicht entsprechend aufbereitet worden sind.71

II. Wiederbeschaffungsanspruch

Für die Annahme einer Wiederbeschaffungspflicht kommt es nach bisheriger Rechtsprechung vor allem auf den Zeitpunkt der Antragstellung an.

Für Informationen, die nach Antragstellung weggegeben werden, besteht seitens der Behörde eine Wiederbeschaffungspflicht. Nach dem Bundesverwaltungsgericht wird durch die Antragsstellung ein informationsfreiheitsrechtliches Rechtsverhältnis zwischen dem Antragsteller und der Behörde begründet. Die Behörde muss daher die Unterlagen „zur Prüfung von Ausschlussgründen und zur Erfüllung eines möglicherweise gegebenen Anspruchs vorhalten; sie darf sie - vorbehaltlich etwaiger Löschungsregelungen mit zwingenden Fristen, die für abweichende Belange keinen Raum lassen […] - weder weggeben noch vernichten.“

Ein solcher Wiederbeschaffungsanspruch geht nur dann unter, wenn die Durchsetzung rechtlich oder tatsächlich unmöglich geworden ist. Sind die Akten jedoch noch existent, muss die informationspflichtige Behörde sich diese gegebenenfalls im Wege der Amtshilfe vorübergehend wieder übermitteln lassen, um den Informationsanspruch zu prüfen und zu erfüllen.72

Für Informationen, die vor Antragstellung verloren gegangen sind und nur durch eine erneute Datenerhebung wiederbeschafft werden könnten, oder für Informationen, die nur vorübergehend zu den Akten gelangt sind und vor Antragstellung im Rahmen regulärer Aktenführung wieder zurückgegeben oder an Dritte abgegeben wurden, gilt keine Pflicht zur Wiederbeschaffung.73

Noch nicht endgültig entschieden ist, ob eine Wiederbeschaffungspflicht besteht, wenn die zuvor sich in Besitz der Behörde befindlichen Unterlagen vor Antragstellung aufgrund rechtswidrigen Verhaltens abhandengekommen sind.74 Dass es sich hierbei um eine offene Rechtsfrage handelt, hat das Bundesverfassungsgericht in dem Globke-Fall ausdrücklich festgestellt und eine Wiederbeschaffungspflicht für solche Konstellationen für möglich gehalten.75 Der Entscheidung lag ein Antrag auf Einsicht in die Akten des ehemaligen Staatssekretärs im Bundeskanzleramt Hans Globke zugrunde. Anders als gesetzlich vorgesehen lagern diese Akten nicht im Bundesarchiv, sondern in der parteinahen privaten Konrad-Adenauer-Stiftung. Die Weggabe und sogar das Verschwinden von Regierungsakten deutscher Kanzler und hoher Beamter und deren Verschaffung in privaten Besitz, wo sie der Öffentlichkeit eingeschränkt bis gar nicht zugänglich sind, ist seit jeher eine in der Bundesrepublik tolerierte Praxis für die noch keine rechtlichen Lösungswege gefunden wurden.

Dabei ist die Zugänglichkeit solcher Unterlagen für die Aufarbeitung der politischen Geschehnisse in Deutschland, aber auch für auf die Zukunft gerichtete Politikanalysen und -beratung zentral.76

III. Informationen anderer Behörden oder Privater

Für die Amtlichkeit von Informationen ist es unerheblich, wer die Urheberin oder die Ursprungsquelle einer Information ist.77 Das IFG des Bundes eröffnet also nicht nur den Zugang zu Informationen, die von staatlichen Stellen des Bundes verfasst worden sind. Insbesondere – aber nicht nur – können auch Informationen der Länder, Gemeinden, ausländischer Staaten, nationaler und internationaler Organisationen sowie privater Unternehmen oder wissenschaftlicher Institute über das IFG des Bundes erfragt werden, wenn sie bei einer Behörde des Bundes vorhanden sind. Nach der Gesetzesbegründung reicht es aus, wenn sie dem Bund dauerhaft zugehen.78 Gem. § 3 Nr. 5 IFG ist der Zugangsanspruch nur dann ausgeschlossen, wenn es sich um vorübergehend beigezogene Akten handelt.

Daher können auch Informationen, die ursprünglich von Privaten stammen, „amtliche Informationen“ nach dem IFG des Bundes sein.79 Dies ist etwa der Fall, wenn sie an den Bund im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens, z.B. eines Vergabeverfahrens, weitergegeben worden sind oder die Behörde sie im Rahmen ihrer Aufsichts- und Regulierungstätigkeit, z.B. bei der Finanzmarktaufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, erhalten hat. Auch vertragliche Vereinbarungen oder die bloße Kommunikation zwischen Behörden und Privaten stellen amtliche Informationen dar, wenn die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind, etwa weil diese Informationen im Rahmen amtlicher Aufgabenerfüllung angefallen sind. Es ist auch unerheblich, ob die Informationen ursprünglich gezielt erfragt worden oder der Behörde nur zufällig bekannt geworden sind.80

Auch wissenschaftliche Gutachten oder Stellungnahmen von Privaten sowie anonyme Informationen, die der Behörde zur Aufgabenerfüllung zugegangen sind, unterfallen dem IFG-Anspruch.

Die Interessen der privaten natürlichen wie juristischen Personen werden über § 5 und § 6 IFG sowie das Drittbeteiligungsverfahren geschützt, sodass konkrete einzelne Informationen, die vom Schutz dieser Norm umfasst sind, bei Herausgabe der Informationen geschwärzt werden können. Amtsträger*innen sind keine Dritten, die nach diesen Vorschriften geschützt werden, soweit es um Informationen geht, die sich auf ihre Amtsträgerfunktionen beziehen.81

D. Entwürfe und Notizen

Gem. § 2 Nr. 1 IFG gelten „Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen“ nicht als amtliche Informationen. Sie werden damit von vornherein aus dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ausgenommen. Zweck der Regelung ist, einen Freiraum zum Denken für die Mitarbeitenden in der Behörde zu gewähren: Das Skizzieren von Ideen und Gedanken soll möglich sein, ohne dass man sich daran festhalten lassen muss.82

Damit diese Ausnahme für eine Information greift, muss sie zwei Voraussetzungen erfüllen. Zunächst muss sie ein „Entwurf“ oder eine „Notiz“ sein. Außerdem darf sie nicht Teil eines Verwaltungsvorgangs werden.

Unter einem „Entwurf“ versteht man eine vorläufige Gedankenskizze, wenn diese nach der Vorstellung der Person, die sie gefertigt hat, noch nicht als endgültige Entscheidung verstanden werden soll, sondern noch weiterer Bearbeitung bedarf.83 Das bedeutet aber nicht, dass lediglich abschließende Entscheidungen keine Entwürfe darstellen. Werden unfertige Schriftstücke beispielsweise innerhalb verschiedener Dezernate oder Referate einer Behörde ausgetauscht, um Stellungnahmen einzuholen, liegt zumeist kein Entwurf mehr vor.84

Eine „Notiz“ sind Informationen, die als Gedächtnisstütze nur dem*r Verfasser*in dienen sollen und lediglich vorübergehende Bedeutung haben, etwa weil sie nur zur Vorbereitung später zu fertigender Stellungnahmen genutzt werden. 85 Entfällt eine dieser beiden Voraussetzungen, so wird aus einer Notiz eine amtliche Information, die dem Informationszugangsanspruch unterliegt. Das bedeutet auch, dass handschriftliche Bemerkungen auf Aktenbestandteilen unter den Zugangsanspruch fallen. Sie dienen nämlich nicht der Gedächtnisstütze und sind dauerhaft aufgezeichnet.86

Maßgeblich dafür, was Bestandteil eines Vorgangs werden soll, sind die Regeln der ordnungsgemäßen Aktenführung.87 Da es sich bei § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG um eine Soll-Vorschrift handelt, kommt es nicht darauf, ob die Notizen und Entwürfe tatsächlich veraktet wurden, sondern darauf, ob sie hätten veraktet werden müssen. Gleichzeitig lässt eine „Soll“-Vorschrift einen gewissen Raum für abweichende Entscheidungen im Einzelfall.88

Exkurs: Ordnungsgemäße Aktenführung

Sowohl bei der Bestimmung der Amtlichkeit, als auch des Vorhandenseins von Informationen wird in der Literatur und Rechtsprechung auf die ordnungsgemäße Aktenführung verwiesen. Darüber hinaus ist laut Literatur, Rechtsprechung und Gesetzesbegründung die ordnungsgemäße Aktenführung maßgeblich dafür, ob „Entwürfe“ oder „Notizen“ zu amtlichen Informationen werden.89

Die Regeln über die ordnungsgemäße Aktenführung ergeben sich zunächst aus Verfassungsrecht. Denn die nach dem Grundgesetz den Behörden obliegende Vollziehung der Gesetze ist ohne eine Dokumentation der einzelnen Verwaltungsvorgänge, des Sachverhalts sowie der Erkenntnisquellen nicht denkbar.90

Demnach sind Behörden zur wahrheitsgetreuen und vollständigen Dokumentation ihres Handelns verpflichtet.91 Eine allgemein gültige Konkretisierung dieser Gebote in Gesetzesform existiert bisher nicht.

Stattdessen finden sich Vorschriften teilweise in Gesetzen (so z.B. für Regelungen über die Personalaktenführung § 106 ff BBG), in den einschlägigen Aktenordnungen oder Verwaltungsvorschriften. Für den Bund ergeben sich die Regeln hierfür aus § 12 Abs. 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien. Dort ist geregelt, dass „Stand und Entwicklung der Vorgangsbearbeitung“ jederzeit aus den Akten nachvollziehbar sein müssen. Für Einzelheiten verweist Satz 2 auf die „Richtlinie für das Bearbeiten und Verwalten von Schriftgut in Bundesministerien“ (RegR), die allgemeine Regeln für die Bearbeitung und Aufbewahrung von Akten aufstellt. In § 4 der RegR ist der Grundsatz der Vollständigkeit und Einheitlichkeit erläutert. Die RegR gilt ausweislich des § 1 Absatz 3 RegR auch für elektronisch bearbeitet und verwaltete Daten.

Wenn die Vorschriften über die Schriftgutverwaltung keinen Aufschluss darüber geben, ob die Information Teil des Vorgangs werden soll, zieht man in einem nächsten Schritt die Verwaltungspraxis der Behörde heran. Man muss also ermitteln, ob die Behörde die Informationen üblicherweise verakten würde. Ist das der Fall, so handelt es sich um eine amtliche Information. Existiert auch keine Verwaltungspraxis, die Aufschluss darüber gibt, ob eine Information veraktet werden soll, kann als Anhaltspunkt schließlich noch der Wille der sachbearbeitenden Person herangezogen werden. Es ist wichtig zu beachten, dass es nicht darauf ankommt, ob die jeweiligen Informationen tatsächlich Bestandteil eines Vorgangs geworden sind. Wird ein Dokument, das nach den Regeln über die ordnungsgemäße Aktenführung zu den Akten zu nehmen wäre oder das üblicherweise veraktet wird, ausnahmsweise nicht veraktet, handelt es sich dabei dennoch um eine amtliche Information.

Klar ist, dass es unzulässig ist, informelle Nebenakten zu führen, Aktenteile zu entfernen oder bei Nutzung elektronischer Vorgangsbearbeitung zu löschen (siehe auch § 4 Absatz 3 RegR).92 Dennoch gibt es für antragstellende Personen kaum rechtliche Möglichkeiten, auf rechtswidrige Löschungen zu reagieren oder Speicherungen durchzusetzen. Das OVG Berlin-Brandenburg betont stets, dass eine ordnungsgemäße Aktenführung nicht mit den Mitteln des IFG durchgesetzt werden könne.93

Da die Bearbeitung von Anträgen nach dem Informationsfreiheitsgesetz mittlerweile zum originären Aufgabengebiet der Behörde gehört, 94 lässt sich jedoch auch vertreten, dass sich auch aus dem IFG Pflichten hinsichtlich der Archivierung und Aktenführung ergeben. So ergibt sich zumindest dergestalt ein Sanktionseffekt für ein unzureichendes Aktenführen, dass sich die informationspflichtige Stelle in dem Falle nicht mehr auf den unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand berufen kann.95

Dies löst allerdings nicht das Problem der mangelhaften Sicherung von Handydaten. Die sich wiederholenden Fälle, in denen Handydaten und mutmaßlich amtliche Kommunikation, die über Messenger-Dienste stattfand, gelöscht und nicht gespeichert und veraktet wurden, zeigen, dass es für diesen Bereich an klaren Regeln und insbesondere Sicherungskonzepten mangelt.

Der Gesetzesvorschlag für ein neues Bundestransparenzgesetz aus der Zivilgesellschaft enthält daher eine Vorschrift über Organisationspflichten.96 Weitergehend ist die Forderung, ausdrücklich Regelungen über die Aktenführung in das IFG aufzunehmen.97

Alle hier zitierten Quellen finden sich in der digitalen Literaturdatenbank.

Comments
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Michela Iuliano:

Tippfehler: Das Urteil ist vom 17.05.2011 (nicht 2022) siehe auch nächste Fußnote

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Vivian Kube:

Vielen Dank für das aufmerksame Lesen! Das wird selbstverständlich angepasst.

Günter-Ulrich Tolkiehn:

Dies finde ich sehr wichtig und schwerwiegend und würde mir noch eine stärkere Problematisierung wünschen. Es ist ein Beispiel für “Transparenz nach Gutsherrenart”: Die eigentlich vom Gesetz zu bindende Exekutive bestimmt mit Unterstützung durch die Judikative weitgehend selbst darüber, wie weit und wann sie sich gebunden fühlen möchte. Ich denke, das fällt in den Bereich, den Ingeborg Maus als das Hauptübel demokratischer Gesellschaften sieht und als „Refeudalisierung“ kritisiert: Die schleichende Verselbständigung der Exekutive und der Judikative durch Entformalisierung der Gesetzgeung. Oder wie sehen Sie das als Fachfrau?

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Vivian Kube:

Ich sehe darin auch ein großes Problem, dass über behördeninterne Regelungen oder aufgrund von Umsetzungsdefiziten Gesetze zur Informationsfreiheit ausgehöhlt werden und werde versuchen, das Problem deutlicher zu machen.

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Christoph Schnabel:

Was ist mit Informationen auf die die informationspflichtige Stelle Zugriff hat? Datenbanken, Server, juris/Beck-online…sind die darin gespeicherten Informationen bei der zugangsberechtigten Behörde “vorhanden”?

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Vivian Kube:

Guter Punkt. Die Frage nehme ich auf. Ad hoc denke ich, dass es im Einzelfall darauf ankommen wird, ob eine Recherche, also Informationsbeschaffung, erforderlich ist, für die die Datenbank dann wohl nur das Werkzeug wäre, oder nur eine Informationsaufbereitung.

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Christoph Schnabel:

Das scheint mir die zentrale Einordnung zu sein. In dieser Darstellung geht sie allerdings völlig unter. Man sollte das stärker herausstellen und mit Beispielen unterlegen.

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Vivian Kube:

Das finde ich interessant, dass Sie diese Abgrenzung als Ausgangspunkt verstehen. Das werde ich ebenfalls berücksichtigen.

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Christoph Schnabel:

Das wird jetzt hier etwas ausufernd besprochen. Kommt dem Fall/der Konstellation wirklich ein derartiges Gewicht zu?

Abgesehen davon fehlt mir etwas die Einordnung für die praktische Anwendung: Folgt man dem? Muss man das bei der Anwendung des IFG zukünftig zugrunde legen?

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Vivian Kube:

Ich stimme zu, dass die praktischen Folgen gering sein könnten - hoffentlich. Dogmatisch bringt diese Entscheidung m.E. jedoch einen Bruch mit der bisherigen Abgrenzung von Amtlichkeit (es ist eben nicht mehr alles amtlich, was nicht privat ist) und ein irritierendes Verständnis davon, welche Rolle Cloud-Dienste spielen (nicht das Ministerium wollte speichern, sondern nur Twitter), mit sich. Außerdem ist die Entscheidung in der bisherigen Kommentar-Literatur teilweise noch nicht aufgearbeitet.

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Christoph Schnabel:

Bestätigt durch OVG Hamburg, Beschl. v. 21.7.2016 – 1 Bf 29/12.Z.

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Vivian Kube:

Danke. Wird ergänzt.

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Christoph Schnabel:

Hier fehlt das Gesetz. Bei der Gelegenheit rege ich eine einheitliche Verwendung an:

  • IFG

  • IFG-Bund

  • Bundes-IFG

Das habe ich alles drei jetzt schon in den ersten Kapiteln des Buchs gelesen.

Vorzugswürdig dürfte einfach “IFG” sein.

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Vivian Kube:

Vielen Dank für das aufmerksame Lesen. Wird angepasst.

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Christoph Schnabel:

Diesen Zusatz würde ich streichen. Die Eröffnung des grundrechtlichen Schutzbereichs ist ein Reflex aus der Anwendbarkeit des IFG. Der Begriff der “amtlichen Information” hat keine eigenständige Bedeutung innerhalb von Art. 5 GG.

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Vivian Kube:

Wenn das so verstanden werden kann, dann werde ich den Zusatz ändern. Vielen Dank!

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Christoph Schnabel:

Würde ich streichen, da der Bezugsgegenstand keine “Voraussetzung” ist.

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Arne Semsrott:

typo

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Vivian Kube:

Danke! Wird angepasst.