Die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission
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Offenheit ist ein Verfassungsprinzip der Europäischen Union. Art. 1 Abs. 2 EUV verpflichtet sie dazu, Entscheidungen „möglichst offen und möglichst bürgernah“ zu treffen. Dieses Prinzip der Offenheit schlägt sich in der Praxis insbesondere im Recht wieder, Zugang zu Dokumenten im Besitz der Europäischen Union zu erhalten.
Das Zugangsrecht ist ein Grundrecht, das in Art. 42 der Grundrechtecharta der Europäischen Union verankert ist. Demzufolge haben alle „Unionsbürgerinnen und Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat […] das Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, unabhängig von der Form der für diese Dokumente verwendeten Träger.“
Dieses Grundrecht kann nur unter bestimmten Umständen eingeschränkt werden, die sich aus Art. 15 Abs. 3 UAbs. 2 AEUV ergeben.1 Jede Einschränkung des Zugangsrechts muss privaten oder öffentlichen Interessen dienen und in einer im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassenen Verordnung vorgesehen sein.
Dieses weite Zugangsrecht, das zum einen als Grundrecht verbürgt ist und zum anderen alle Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union umfasst, existiert erst seit dem Vertrag von Lissabon. Die Vorgängerregelung in Art. 255 EGV enthielt nur ein Zugangsrecht für Dokumente von Rat, Kommission und Parlament. Auf der Grundlage von Art. 255 EGV erließen Rat und Parlament die Verordnung 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (nachfolgend „die Verordnung“). Sie regelt die allgemeinen Grundsätze und Beschränkungen für den Zugang zu Dokumenten dieser Organe. Sie ist noch heute in Kraft und in der Praxis das relevanteste Zugangsregime für Dokumente der EU.
Neben dieser Verordnung besteht noch eine Reihe von Rechtsakten anderer Organe, mit denen sie den Zugang zu ihren Dokumenten regeln. Ferner gibt es mit der Verordnung 1367/2006 des Parlaments und des Rates zur Umsetzung des Übereinkommens von Århus ein gesondertes Zugangsregime für Umweltinformationen.
Der Kreis der Anspruchsberechtigten wird in Art. 2 Abs. 1 der Verordnung festgelegt. Demnach sind zunächst alle Unionsbürger*innen, also alle Menschen mit der Staatsbürgerschaft eines Mitgliedsstaats, anspruchsberechtigt. Daneben besteht der Anspruch für alle natürlichen Personen, die in einem Mitgliedstaat wohnen, und alle juristischen Personen, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat haben.
Art. 2 Abs. 2 der Verordnung räumt den Organen darüber hinaus die Möglichkeit ein, auch Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, Zugang zu gewähren. Das Parlament hat in Art. 122 Abs. 1 UAbs. 2 seiner Geschäftsordnung festgelegt, von dieser Möglichkeit „soweit möglich“ Gebrauch zu machen. Der Rat gewährt ohne einen entsprechenden Vorbehalt „allen natürlichen und juristischen Personen“ Zugang zu Dokumenten, wie sich aus Anhang II Art. 1 seiner Geschäftsordnung ergibt. Die Kommission beschränkt sich in ihren Durchführungsbestimmungen darauf, die Formulierung des Art. 2 Abs. 2 der Verordnung zu wiederholen,2 sodass unklar bleibt, wann sie den Kreis der Anspruchsberechtigten freiwillig erweitert.
Der Zugangsanspruch erstreckt sich auf „Dokumente“. Der Begriff des Dokuments ist in Art. 3 lit. a der Verordnung definiert. Demnach sind Dokumente „Inhalte unabhängig von der Form des Datenträgers […], die einen Sachverhalt im Zusammenhang mit den Politiken, Maßnahmen oder Entscheidungen aus dem Zuständigkeitsbereich des Organs betreffen“. Diese Definition ist sehr weit und führt dazu, dass sämtliche aufgezeichneten Informationen grundsätzlich Gegenstand des Zugangsanspruchs sein können.
Der Zugangsanspruch erstreckt sich auf „Dokumente“. Der Begriff des Dokuments ist in Art. 3 lit. a der Verordnung definiert. Demnach sind Dokumente „Inhalte unabhängig von der Form des Datenträgers […], die einen Sachverhalt im Zusammenhang mit den Politiken, Maßnahmen oder Entscheidungen aus dem Zuständigkeitsbereich des Organs betreffen“. Diese Definition ist sehr weit und führt dazu, dass sämtliche aufgezeichneten Informationen grundsätzlich Gegenstand des Zugangsanspruchs sein können.
Antragstellende Personen haben nur Anspruch auf Dokumente, die bei den Organen tatsächlich vorliegen. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung, wonach diese nur für Dokumente gilt, die sich im Besitz der Organe befinden.3
Ob sich ein Dokument vorliegt, lässt sich bei „statischen Dokumenten“, wie der Gerichtshof sie nennt, leicht feststellen. Statische Dokumente sind Papiere und einfache elektronische Dokumente, bei denen es ausreicht zu prüfen, ob ein Datenträger einen bestimmten Inhalt hat.
Diesen einfachen Fällen statischer Dokumente stellt der Gerichtshof den komplizierteren Fall entgegen, dass sich bestimmte Informationen in „dynamischen Datenbanken“ befinden. In diesen Fällen sind relevante Informationen einzeln und ungeordnet gespeichert. Sie lassen sich aus technischer Sicht durch die Verwendung bestimmter Skriptsprachen beliebig filtern und zusammenstellen. Dafür kann aber größerer Aufwand und technischer Sachverstand notwendig sein, der bei den durchschnittlichen Unionsbeamt*innen nicht vorausgesetzt werden kann. Daher ist fraglich, ob dennoch sämtliche Zusammenstellungen, die man durch derartige Datenbankabfragen generieren kann, als „bereits vorhanden“ anzusehen sind.
Der EuGH verneint diese umfassende Sichtweise. Er hat festgestellt, dass „vorhandene Dokumente“ nur solche Informationen sind, die mit den vorhandenen Suchfunktionen der von den Unionsbeamt*innen verwendeten Software abgerufen werden können. Das gilt auch, wenn die Informationen in der konkreten Zusammenstellung noch nie zuvor gesucht und angezeigt worden sind.4 Erfordert das Abrufen der Information aus einer Datenbank jedoch eine wesentliche Investition, so ist die Information als neues Dokument anzusehen, das nicht vom Zugangsanspruch umfasst ist.5 Der EuGH begründet seine Auffassung insbesondere mit dem Ziel der Transparenzverordnung. Sie solle der Öffentlichkeit den größtmöglichen Zugang zu Dokumenten der Organe ermöglichen. Daher sollen unter den Begriff der „vorhandenen Dokumente“ genau die Informationen fallen, auf die auch die Unionsbediensteten Zugriff haben.6
Die Unionsorgane dürfen Anträge auf Zugang zu Dokumenten nicht dadurch vereiteln, dass sie Informationen nach Antragstellung löschen. Wenn sich ein Antrag auf ein Dokument bezieht, das typischerweise nur kurzfristig gespeichert wird, sind die Organe verpflichtet, dieses zu sichern.7
Der Anspruch umfasst ein Recht auf „Zugang“ zu Dokumenten. Dabei kann die antragstellende Person wählen, ob sie die Dokumente vor Ort einsehen, oder eine Kopie erhalten möchte. Die Einsichtnahme vor Ort und die Übersendung elektronischer Kopien ist kostenlos. Für Papierkopien können die angefallenen Kosten eingefordert werden. All das ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 der Verordnung. In der Praxis dürfte es ratsam sein, wann immer möglich die Übersendung elektronischer Kopien zu verlangen, um Aufwand und Kosten gering zu halten.
Ist ein Dokument bereits von einem Organ freigegeben und veröffentlicht worden, erlaubt es Art. 10 Abs. 2 der Verordnung, antragstellende Personen lediglich darauf hinzuweisen, wo das Dokument erhältlich ist. Die Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 2 der Verordnung liegen aber nicht bereits dann vor, wenn private Dritte Dokumente der Organe veröffentlicht haben. In diesen Fällen ist für die antragstellenden Personen nämlich keineswegs sicher, dass es sich um unverfälschte Dokumente handelt. Notwendig ist vielmehr, dass das betreffende Organ das Dokument selbstständig verbreitet hat, sodass eine Gewähr für dessen Richtigkeit besteht.8
Der Zugang zu Dokumenten unmittelbar auf Grundlage der Verordnung besteht nur gegenüber Kommission, Parlament und Rat, wie sich aus Art. 1 lit. a der Verordnung ergibt. Wenn von „Organen“ die Rede ist, meint sie damit also nicht alle Organe im Sinne von Art. 13 Abs. 1 UAbs. 2 EUV. Für die übrigen Organe bestehen jeweils eigene Rechtsakte, die aber überwiegend auf die Regeln der Verordnung verweisen oder sie wiederholen. Das Zugangsregime des Europäischen Rates findet sich im Anhang II zu dessen Geschäftsordnung, das des Europäischen Gerichtshofes in dessen Beschluss vom 26. November 2019,9 die EZB trifft die für sie geltenden Regelungen in ihrem Beschluss EZB/2004/3 und der Rechnungshof in dessen Beschluss Nr. 12/2005.
Dass sich die übrigen Organe eigene Regeln über Zugang zu Dokumenten gegeben haben, ist problematisch. Nach dem Wortlaut von Art. 15 Abs. 3 UAbs. 2 AEUV kann das primärrechtlich garantierte Zugangsrecht nur durch eine Verordnung, die im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen worden ist, eingeschränkt werden. Es lässt sich daher vertreten, dass die „Beschlüsse“ von EZB und Rechnungshof und die Geschäftsordnung des Europäischen Rates überhaupt nicht geeignet sind, dieses Recht einzuschränken, sodass zu deren Dokumenten letztlich ein unbeschränktes Zugangsrecht besteht, soweit es nicht aufgrund anderer primärrechtlicher Vorschriften – insbesondere wegen der Grundrechte Dritter – eingeschränkt ist.
Ob dem so ist, hängt davon ab, ob man Art. 42 der Grundrechtecharta und Art. 15 Abs. 3 UAbs. 3 AEUV für unmittelbar anwendbar hält. Nur in diesem Fall können Gerichte ohne einen konkretisierenden Gesetzgebungsakt Zugang zu Dokumenten gewähren. Das setzt voraus, dass die Vorschrift unbedingt ist, also ein Recht vermittelt, ohne dass ein Umsetzungsakt erforderlich ist. Bei isolierter Betrachtung erfordert Art. 15 Abs. 3 UAbs. 2 AEUV einen Umsetzungsakt, weil er das Zugangsrecht nur vorbehaltlich einer zu erlassenden Verordnung mit „Grundsätzen und Bedingungen“ garantieren möchte.10 Art. 42 der Grundrechtecharta enthält diese Einschränkung nicht. Somit stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis diese beiden Vorschriften zueinanderstehen. Man könnte argumentieren, dass Art. 42 der Charta keinen über Art. 15 AEUV hinausgehenden Gewährleistungsgehalt hat, weil Art. 52 Abs. 2 der Grundrechtecharta einen Gleichlauf der beiden Vorschriften normiert. Dieser Ansatz geht jedoch fehl. Art. 52 Abs. 2 GRCh gilt nämlich nur für „Rechte“. Umsetzungsbedürftige Vorschriften der Charta sind aber keine Rechte, sondern Grundsätze, wie sich aus Art. 52 Abs. 5 der Charta ergibt. Diese müssen erst durch einen Rechtsakt konkretisiert werden; Rechte hingegen existieren unmittelbar kraft der Charta und können durch andere Rechtsakte beschränkt werden, ohne dass sie zuvor durch diese begründet werden müssten. Wenn eine Garantie der Charta also unter Art. 52 Abs. 2 der Charta fällt, steht damit fest, dass sie ein subjektives Recht verleiht. Für Art. 42 der Charta ist klar, dass Art. 52 Abs. 2 Anwendung findet. Das ergibt sich eindeutig aus den Erläuterungen zu Art. 42 Charta, die bei der Auslegung zu berücksichtigen sind (so Art. 52 Abs. 7 GRCh) und seine Anwendbarkeit liegt in Anbetracht der nahezu wörtlichen Übereinstimmung von Art. 42 GRCh und Art. 15 Abs. 3 UAbs. 1 AEUV auch sonst auf der Hand. Folglich handelt es sich bei Art. 42 der Charta um ein Recht, woraus wiederum folgt, dass es ein subjektives Recht auch ohne Umsetzungsakt verleiht. Die Vorschriften über das Zugangsrecht sind unmittelbar anwendbar.
Die Unionsagenturen unterliegen zumeist auch den Regelungen der Verordnung, weil deren Gründungsrechtsakte ihre entsprechende Anwendung anordnen.11
Der Anspruch auf Zugang zu Dokumenten besteht nur, wenn keine Ausnahmeregelung gemäß Art. 4 der Verordnung eingreift. Die Ausnahmeregelungen lassen sich grob in zwei große Kategorien einteilen. „Absolute Ausschlussgründe“, bei deren Eingreifen der Zugang stets versagt wird und „relative Ausschlussgründe“, bei deren Eingreifen in einem zweiten Schritt eine Abwägung mit dem Interesse an der Verbreitung der Informationen vorgenommen wird, die zu einem Informationszugang führen kann.
a) Die Beeinträchtigung des Schutzes öffentlicher Interessen
Die Verordnung normiert in Art. 4 Abs. 1 lit. a der Verordnung eine Reihe öffentlicher Interessen, deren Beeinträchtigung zu einem absoluten Ausschluss des Informationszugangs führen. Die Organe haben bei der Auslegung dieser Normen ein weites Ermessen und können weitestgehend selbstständig einschätzen, ob die Verbreitung der angefragten Informationen öffentliche Interessen beeinträchtigen würden. Der Europäische Gerichtshof überprüft die Einschätzung der Organe nur zurückhaltend. Die Berufung der Organe auf die Ausschlussgründe des Art. 4 Abs. 1 lit. a der Verordnung ist nur dann rechtswidrig, wenn den Organen Verfahrensfehler unterlaufen, sie die ihrer Entscheidung zugrundeliegenden Tatsachen unzutreffend ermittelt oder offensichtlich falsch gewürdigt haben oder wenn ein Fall von „Ermessensmissbrauch“12 vorliegt.13 Das führt in der Praxis dazu, dass es antragstellenden Personen erschwert wird, sich gerichtlich gegen derartige Ablehnungen zu wehren.
b) Die Beeinträchtigung des Schutzes der Privatsphäre
Ein absoluter Ausschlussgrund besteht gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. b der Verordnung auch, wenn die Verbreitung die Privatsphäre und Integrität einer natürlichen Person beeinträchtigen würde. Die Ausnahmeregelung verweist ausdrücklich auf „Die Rechtsvorschriften der [Union] über den Schutz personenbezogener Daten“. Damit sind für die Auslegung der Vorschrift insbesondere die Regeln der Verordnung 2018/1725 zu beachten, die dem Schutz des Rechts auf Privatsphäre aus Art. 7, 8 der Grundrechtecharta; diese „Datenschutzverordnung“ regelt die Datenschutzvorschriften, die die Unionsorgane bei der Verarbeitung personenbezogener Daten beachten müssen.14
Art. 9 Abs. 1 der Datenschutzverordnung normiert, dass personenbezogene Daten von den Organen der Union nur weitergegeben werden können, wenn die Person, die sie empfangen soll, nachweisen kann, dass die Daten für einen im öffentlichen Interesse liegenden Zweck erforderlich sind und die Interessen der von der Übermittlung betroffenen Person nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden. Damit besteht für personenbezogene Daten eine Ausnahme von dem Grundsatz aus Art. 6 Abs. 1 S. 2 der Verordnung, dass Anträge nach der Transparenzverordnung nicht begründet werden müssen. Zudem wird Art. 4 Abs. 2 lit. b der Verordnung faktisch zu einem relativen Ausschlussgrund, bei dem eine Abwägung stattfindet. Wenn antragstellende Personen ein öffentliches Interesse nicht darlegen oder keine eigene Verhältnismäßigkeitsprüfung vornehmen, ist ihr Antrag daher abzulehnen.
Wenn die antragstellende Person entsprechende Darlegung macht, müssen die Organe der Union in einem zweiten Schritt nochmals selbstständig prüfen, ob die Übermittlung der Daten für einen im öffentlichen Interesse liegenden Zweck erforderlich und verhältnismäßig ist, wie sich aus Art. 9 Abs. 2 der Datenschutzverordnung ergibt.
Das bloße Ziel, Transparenz zu schaffen, hat in der Regel keinen unbedingten Vorrang vor dem Schutz personenbezogener Daten.15 Treten aber besondere Umstände hinzu, etwa die Beteiligung von Lobbyist*innen an bestimmten Entscheidungen, kann dies ein besonderes Transparenzbedürfnis begründen, dem Vorrang vor dem Schutz der Privatsphäre einzuräumen ist.16 Daher sollten antragstellende Personen mit jedem Antrag, der sich auf personenbezogene Daten erstreckt, das Vorliegen eines gesteigerten Transparenzbedürfnisses darlegen.
In Art. 4 Abs. 2 zählt die Verordnung die Gründe auf, aus denen der Dokumentenzugang verweigert werden soll, wenn das öffentliche Interesse an ihrer Bekanntgabe nicht überwiegt.
Relative Ausschlussgründe prüft man in drei Schritten. Zunächst muss man prüfen, ob die angefragten Dokumente unter eine der aufgezählten schutzwürdigen Bereichen gehört.
In einem zweiten Schritt wird geprüft, ob die Verbreitung des Dokuments die schutzwürdigen Belange tatsächlich beeinträchtigen würde. Eine derartige Beeinträchtigung kann von den Organen nur geltend gemacht werden, wenn sie „angemessen absehbar und nicht rein hypothetisch“ ist.17
In dritten und letzten Schritt prüft man, ob das Geheimhaltungsinteresse aufgrund der drohenden Beeinträchtigung schwerer wiegt als das öffentliche Interesse an der Verbreitung. Das Gewicht des öffentlichen Interesses ist dabei insbesondere anhand des Zwecks der Transparenzverordnung zu messen.18 Diese finden sich im zweiten Erwägungsgrund der Verordnung. Demnach ermöglicht Transparenz eine bessere Beteiligung der Bürger*innen am Entscheidungsprozess und „gewährleistet eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung.“ Zudem stärke Transparenz die Demokratie und die Achtung der Grundrechte. Daraus lässt sich auch ableiten, dass Dokumente, die im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens entstehen, in besonderer Weise von öffentlichem Interesse sind. Zu diesen Dokumenten ist in der Regel umfassend Zugang zu gewähren.19
Nur so weit die Voraussetzungen aller drei Stufen erfüllt sind, dürfen die Organe den Dokumentenzugang verwehren.
Für einige Dokumente hat der EuGH anerkannt, dass sich die Organe im „zweiten Schritt“ ohne nähere Prüfung einzelner Dokumente darauf berufen kann, dass eine Beeinträchtigung der in Art. 4 Abs. 2 genannten Interessen vorliegen kann. Grund hierfür sei, dass eine allgemeine Vermutung der Schutzwürdigkeit jener Dokumente eingreift. Ausdrücklich entschieden hat der EuGH das Bestehen einer solchen Vermutung bislang für Dokumente, die Teil eines Verfahrens zur Kontrolle staatlicher Beihilfen sind,20 bei den Unionsgerichten zu einem anhängigen Verfahren eingereichte Schriftstücke,21 Schriftverkehr in Fusionskontrollverfahren,22 Schriftverkehr zwischen Kommission und Mitgliedstaaten im Rahmen von EU-Pilotverfahren23 und im Rahmen kartellrechtlicher Verfahren gegen Unternehmen.24
Der Gerichtshof hat nicht ausgeschlossen, dass eine entsprechende Vermutung auch für weitere Kategorien von Dokumenten bestehen kann. Grundsätzlich könne für jede Kategorie von Dokumenten eine pauschale Vertraulichkeitsvermutung gelten, für die man plausibel darlegen kann, dass die Verbreitung dieser Dokumente bei vernünftiger Betrachtung die von Art. 4 geschützten Interessen tatsächlich beeinträchtigen könnte. Allen bisher anerkannten Kategorien ist gemein, dass es sich bei den betroffenen Dokumenten um den Inhalt von Akten zu anhängigen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren handelte und die daher klar abgrenzbar waren. Ob es sich bei der Zugehörigkeit zu solchen Akten um eine notwendige Voraussetzung für die Anerkennung einer Schutzwürdigkeitsvermutung handelt, hat der Gerichtshof bislang offengelassen.
Als Grund für die Beschränkung der Akteneinsicht in Beihilfeverfahren argumentiert der EuGH damit, dass in der einschlägigen Verordnung über das Verfahren nur ein beschränktes Akteneinsichtsrecht für die Beteiligten vorgesehen ist. Ihnen gleichwohl über die Verordnung 1049/2001 darüber hinausgehende Informationsmöglichkeiten zu verschaffen, könne den Charakter des Beihilfe-Verfahrens verändern.25 Mit vergleichbarer Argumentation begründet er die Vermutung für Akten in Fusionskontrollverfahren26 und kartellrechtlichen Verfahren.27 Auch eine Einsicht in Dokumente eines laufenden EU-Pilotverfahrens, zur Prüfung, ob ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden soll, würde den Charakter dieses Verfahrens verändern.28 Für Schriftsätze in laufenden Verfahren sieht der EuGH regelmäßig die prozessuale Waffengleichheit verletzt.29
Aus der bisherigen Rechtsprechung lassen sich eine Reihe von Kriterien entnehmen, deren gemeinsames Vorliegen stark auf das Vorliegen einer „vermuteten Beeinträchtigung“ hindeuten:
Die Dokumente beziehen sich auf eine nicht-rechtsetzende Tätigkeit des Organs;
Die Dokumente lassen sich durch ihre Zugehörigkeit zu einer Akte oder einem bestimmten Verfahren klar von anderen Dokumenten abgrenzen;
Das Verfahren unterliegt eigenen Verfahrensregeln, die die Beteiligten mit unterschiedlichen Informationsrechten ausstatten;
Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Wenn eine Beeinträchtigung vermutet wird, sind die Organe nicht gezwungen, sich auf diese Vermutung zu berufen. Es liegt in ihrem Ermessen, das angefragte Dokument dennoch individuell zu prüfen und gegebenenfalls davon auszugehen, dass keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange zu befürchten ist.30
Trotz Bestehens der Schutzwürdigkeitsvermutung, steht es den Antragsteller*innen offen, ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung des begehrten Dokuments geltend zu machen. Zudem kann die Vermutung im Einzelfall widerlegt werden, was in der Praxis natürlich häufig nicht möglich sein wird, ohne den Inhalt des Dokuments zu kennen.31
Ein gesonderter relativer Ausschlussgrund zum Schutz des Entscheidungsprozesses der Union findet sich in Art. 4 Abs. 3 der Verordnung. Die Vorschrift modifiziert für Dokumente zum internen Gebrauch den oben skizzierten dreistufigen Test.
Auf der ersten Stufe gilt es zunächst zu differenzieren. Zunächst ist zu prüfen, ob das angefragte Dokument zum internen Gebrauch erstellt worden ist. Wenn das nicht der Fall ist, scheidet eine Berufung auf den Ausschlussgrund von vornherein aus. Handelt es sich um ein internes Dokument, gilt es weiter zu differenzieren: Wenn es sich um ein „Dokument mit Stellungnahmen im Rahmen von Beratungen“ handelt, ist stets die Prüfung auf der zweiten Stufe fortzusetzen. Alle anderen Dokumente fallen nur unter den Ausschlussgrund, wenn die Beratungen des Organs noch andauern, andernfalls sind sie freizugeben. Das gilt auch dann, wenn die Beratungen in einem Verfahren abgeschlossen sind und die Möglichkeit besteht, dass die Dokumente in einem späteren Verfahren nochmals herangezogen werden.32
Die zweite Stufe verlangt im Vergleich zu den übrigen Ausschlussgründen nicht nur eine „einfache“ Beeinträchtigung des Beratungsprozesses des Organs, sondern eine „ernstliche“ Beeinträchtigung. Damit erhöhen sich die Darlegungsanforderungen an die Organe, die sich auf den Ausschlussgrund des Artikels 4 Absatz 3 berufen möchten. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts liegt eine „ernstliche Beeinträchtigung“ insbesondere dann vor, wenn die Bekanntgabe der Dokumente „wesentlichen Einfluss“ auf die Entscheidungsfindung hätte, wobei alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind.33
Auf der dritten Stufe wiederum gibt es keine Modifizierung. Genauso wie bei den übrigen Ausschlussgründen kann eine erhebliche Beeinträchtigung des Beratungsprozesses unbeachtlich sein, wenn das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der beantragten Dokumente überwiegt.
Gemäß Art. 4 Abs. 5 der Verordnung besteht der Zugang zu Dokumenten nicht, wenn ein Mitgliedstaat die Organe darum ersucht, das betreffende Dokument nicht zu verbreiten.
Die Vorschrift räumt den Mitgliedstaaten aber kein allgemeines Vetorecht für Zugangsanträge ein. Ein Ersuchen gemäß Art. 4 Abs. 5 ist vielmehr nur zulässig, wenn der Mitgliedstaat das Bestehen einer Ausnahme gemäß Art. 4 Abs. 1–3 der Verordnung geltend macht und diese ausreichend substantiiert begründet. Die Organe prüfen sodann nicht selbstständig, ob eine entsprechende Ausnahme vorliegt, sondern beschränken sich darauf, zu prüfen, ob das Ersuchen auf einen Ausnahmetatbestand Bezug nimmt und ausreichend begründet ist.34
Art. 4 Abs. 6 der Verordnung stellt klar, dass die Ausnahmen nicht dokumentsbezogen, sondern informationsbezogen sind. Ist nur ein Teil eines Dokumentes von einer Ausnahmeregelung umfasst, ist dieser Teil zu schwärzen und das Dokument im Übrigen herauszugeben.
Art. 4 Abs. 7 der Verordnung stellt klar, dass die Geheimhaltungsbedürftigkeit eines Dokumentes mit der Zeit entfallen kann und dass in der Regel spätestens nach 30 Jahren von einem Wegfall der Schutzbedürftigkeit ausgegangen werden kann.
Die Regeln über die Antragstellung finden sich in Art. 6 der Verordnung. Anträge auf Zugang zu Dokumenten können schriftlich und in elektronischer Form in einer Amtssprache der Union eingereicht werden. Sie sollen hinreichend präzise sein, um eine Identifizierung der begehrten Dokumente zu ermöglichen. Die Organe sind verpflichtet, gegebenenfalls Hilfe bei der Präzisierung der Anträge zu leisten.
Wenn ein Antrag sehr umfangreich ist, sollen sich die Organe mit der antragstellenden Person beraten, um eine „angemessene Lösung“ zu finden. Die antragstellenden Personen haben also eine Möglichkeit darzulegen, an welchen Informationen sie ein besonderes Interesse haben, damit diese vorrangig bearbeitet und ihnen zügig bereitgestellt werden können.
Im Grundsatz besteht keine Verpflichtung, einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten zu begründen. Dieser Grundsatz wird durchbrochen, wenn absehbar ist, dass die angefragten Dokumente unter bestimmte Ausschlussgründe fallen können. Insbesondere, wenn man Zugang zu personenbezogenen Daten begehrt, sollte dargelegt werden, dass ein öffentliches Interesse am Informationszugang besteht.
Gemäß Art. 7 Abs. 1 der Verordnung ist ein Antrag innerhalb von höchstens 15 Arbeitstagen zu bescheiden. Wenn ein besonderer Grund vorliegt, kann das Organ diese Frist um weitere 15 Arbeitstage verlängern, Art. 7 Abs. 3. Wird dem Antrag stattgegeben, müssen die begehrten Dokumente ebenfalls innerhalb der fünfzehntägigen Frist bereitgestellt werden. Wird der Antrag abgelehnt, müssen der antragstellenden Person die Gründe für die Ablehnung schriftlich mitgeteilt werden.
Wenn ein Antrag die Rechte Dritter betrifft – das betrifft insbesondere für Dokumente mit personenbezogenen Daten und Geschäftsinformationen – müssen diese Dritten in der Regel konsultiert werden, was sich aus Art. 4 Abs. 4 der Verordnung ergibt. Wenn die Dritten möchten, dass das Organ zu ihren Gunsten einen Ausschlussgrund annimmt, müssen sie dafür eine Begründung liefern, die den Darlegungsanforderungen an den Ausschlussgrund vollumfänglich gerecht werden. Für diese Stellungnahmen Dritter gelten grundsätzlich die gleichen Begründungsanforderungen wie für Organe, wenn ein Antrag abgelehnt werden soll.35
Wird der Antrag abgelehnt oder über ihn nicht fristgemäß entschieden, so besteht die Möglichkeit einen „Zweitantrag“ zu stellen. Dieser Zweitantrag muss er innerhalb von 15 Arbeitstagen ab Zugang der Ablehnung eingelegt werden. Ein Zweitantrag ist die einzige Möglichkeit, einen Beschluss mit „Außenwirkung“ herbeizuführen, der vor den Unionsgerichten angefochten werden kann. Die Entscheidung über den Erstantrag selbst, ist noch nicht vom Gerichtshof überprüfbar.
Das Verfahren über den Zweitantrag entspricht dem aus dem deutschen Verwaltungsrecht bekannten Widerspruchsverfahren. Es erlaubt den Organen im Wege der Selbstkontrolle ihre Entscheidung über den Erstantrag nochmals selbst zu überprüfen, bevor eine Klage vor den Unionsgerichten zulässig ist.
Die Verfahrensvorschriften für den Zweitantrag entsprechen denen für den Erstantrag. Es besteht eine Bearbeitungsfrist von 15 Tagen, die einmal um weitere 15 Tage verlängert werden kann. Wird diese Frist nicht eingehalten, gilt der Antrag als abgelehnt.
Auch wenn Zweitanträge keiner Begründung bedürfen, bietet es sich hier stets an, ausführlich zu den Ablehnungsgründen der Entscheidung über den Erstantrag Stellung zu nehmen. Wenn das Organ die falschen Maßstäbe für die Beurteilung von Ausschlussgründen angelegt hat, sollte dies explizit erwähnt werden. Hat das Organ eine Abwägungsentscheidung getroffen, sollten möglichst weitere Umstände genannt werden, die für einen Zugang zu den Dokumenten sprechen und die Gewichtung der einzelnen abgewogenen Belange kann ebenfalls angegriffen werden.
Die Entscheidung über den Zweitantrag stellt einen Rechtsakt mit Außenwirkung dar. Er kann damit im Wege der Nichtigkeitsklage vor dem Europäischen Gericht angegriffen werden.
Die Entscheidung über den Zweitantrag kann mit der Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV von der antragstellenden Person angefochten werden. Die Möglichkeit der Anfechtung besteht auch für Dritte, wenn Informationen, die sie betreffen, freigegeben werden. Geklagt werden muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten.36 Die Frist beginnt gemäß Art. 263 Abs. 6 AEUV mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den Zweitantrag zu laufen.
Das Europäische Gericht, das in erster Instanz für Streitigkeiten nach der Verordnung 1049/2001 zuständig ist, kann anordnen, dass die streitgegenständlichen Unterlagen vorgelegt werden müssen. Für vertrauliche Dokumente sieht die Verfahrensordnung des Gerichts in ihren Art. 103 ff. spezielle Vorschriften vor. Sie sollen den Schutz vertraulicher Informationen sicherstellen und zugleich das Recht auf effektiven Rechtsschutz gewährleisten. Das Gericht kann vertrauliche Unterlagen zunächst einsehen, ohne sie an die Parteien zu übermitteln und dann entscheiden, ob sie entscheidungserheblich sind. Sind die Unterlagen entscheidungserheblich, kann das Gericht entscheiden, dass die Gegenseite Einsicht in diese nehmen darf. Es kann die Einsicht in die vorgelegten Unterlagen von dem Unterschreiben besonderer Verschwiegenheitserklärungen abhängig machen oder das Herstellen einer nicht-vertraulichen Fassung anordnen.
Die Entscheidung eines Organs, Dokumente zugänglich zu machen, ist sofort vollziehbar. Daran verändert auch das Erheben der Nichtigkeitsklage nichts. Die aufschiebende Wirkung muss vom Gerichtshof ausdrücklich angeordnet werden, Art. 278 AEUV. Damit ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung erfolgreich ist, muss die antragstellende Person darlegen können, dass die Aussetzung der Vollziehung dringlich ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sie darlegen kann, dass ihre Nichtigkeitsklage nicht von vornherein aussichtslos ist. Ebenso muss sie darlegen können, dass ihr ohne die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden droht. Ein solcher Schaden liegt nicht in jedem Bekanntwerden von vertraulichen Informationen. Daher muss in jedem Einzelfall anhand der Umstände des konkreten Falles dargelegt werden, dass das Eintreten eines Schadens durch das Bekanntwerden der Information wahrscheinlich ist.37
Anstelle einer Klage vor den Gerichten der Europäischen Union kann man sich gegen einen abschlägig beschiedenen Zweitantrag auch mit einer Beschwerde bei der Europäischen Ombudsstelle wehren. Das Verfahren vor der Europäischen Ombudsstelle ist in der Verordnung (EU, Euratom) 2021/1163 des Europäischen Parlaments (nachfolgend „OmbudsstellenVO“) geregelt.
Die Ombudsstelle ist nur zuständig für Beschwerden, die nicht bereits Gegenstand eines anhängigen oder abgeschlossenen Gerichtsverfahrens sind, wie sich aus Art. 1 Abs. 5 OmbudsstellenVO ergibt. Daher ist es nicht möglich, zusätzlich zu einer Nichtigkeitsklage auch noch die Ombudsstelle einzuschalten. Umgekehrt ist es allerdings möglich, sich zunächst an die Ombudsstelle zu wenden und wenn diese die Beschwerde zurückweist, eine Nichtigkeitsklage zu erheben – vorausgesetzt, die Klagefrist ist noch nicht verstrichen.
Die Beschwerden können von allen Unionsbürger*innen und Personen mit (Wohn-)Sitz in der Union eingelegt werden, Art. 2 Abs. 1 OmbudsstellenVO. Sie ist innerhalb von zwei Jahren ab Bekanntgabe der ablehnenden Entscheidung einzulegen, Art. 2 Abs. 3 OmbudsstellenVO.
Nach Eingang einer Beschwerde nimmt die Ombudsstelle eine vorläufige Prüfung vor. Ist die Beschwerde unzulässig oder offensichtlich unbegründet, wird die Akte direkt geschlossen, Art. 5 OmbudsstellenVO. In den übrigen Fällen leitet die Ombudsstelle eine Untersuchung ein. Die betroffenen Stellen der Union haben dann die Möglichkeit, Stellungnahmen abzugeben, Art. 3 Abs. 2 OmbudsstellenVO. Die Ombudsstelle kann während der Untersuchung „Lösungsvorschläge“ für eine Beschwerde unterbreiten, ohne formal über die Beschwerde zu entscheiden. Kommt es zu keiner einvernehmlichen Lösung, entscheidet die Ombudsstelle ob die Ablehnung des Zweitantrags aus ihrer Sicht fehlerhaft war. Ergibt die Untersuchung einen solchen „Missstand in der Verwaltung“, müssen sich die betroffenen Stellen schriftlich hierzu äußern. Im Anschluss an ihre Stellungnahme kann die Ombudsstelle einen Abschlussbericht mit Empfehlungen zur Beseitigung des Verwaltungsmissstandes verfassen, Art. 4 OmbudsstellenVO.
Die Verfahren vor dem Ombudsstelle führen damit, auch wenn die Ombudsstelle eine rechtswidrige Bearbeitung des Antrags annimmt, nicht dazu, dass die Ablehnung aufgehoben wird. Die Ombudsstelle kann rechtswidriges Verhalten der Unionsorgane nur aufzeigen, aber nicht eigenständig beseitigen. Gleichwohl reagieren die Organe zumeist auf festgestellte Missstände und lenken ein. Entsprechend ist das Verfahren vor der Ombudsstelle eine schnelle und kostengünstige Alternative zur Klage vor den Gerichten.
Die Ombudsstelle behandelt Beschwerden gegen Zweitanträge nach der Verordnung in einem beschleunigten Verfahren. Über die Zulässigkeit von Beschwerden soll innerhalb von vier Tagen, über die Beschwerde als Ganzes innerhalb von 40 Tagen entschieden werden.38 Damit soll es beschwerdeführenden Personen im Regelfall möglich sein, sich sowohl an die Ombudsstelle und im Anschluss an den Gerichtshof zu wenden.